Das Portrait
: Aufmüpfige Präsidententochter

■ Marina Mahathir

Wie in den meisten anderen Ländern Asiens war das Thema Aids in Malaysia lange tabu. Das änderte sich erst, als 1993 eine prominente Frau an die Spitze des nationalen „Aids-Rates“ trat: Marina Mahathir, Tochter des Premierministers Mahathir Mohammad.

Sie schaffte es, Unternehmer zu Spenden für Hilfsprojekte und Aufklärungskampagnen zu überreden. In dem überwiegend von Muslimen bewohnten Land gilt Aids bei vielen bis heute als Erscheinung einer dekadenten, verwestlichten Randgruppe.

Die 41jährige Marina Mahathir war bereits Jahre zuvor aus dem Schatten ihres Vaters getreten. Seit 1991 hat Mahathir, die an der englischen Universität von Sussex Internationale Politik studierte, eine ständige Kolumne in der großen englischsprachigen Tageszeitung The Star. Darin nimmt die in zweiter Ehe mit einem indonesischen Fotografen verheiratete Frau die Doppelmoral der malaysischen Gesellschaft aufs Korn.

Der prominente Name und ihr – wie sie betont – gutes Verhältnis zum Vater helfen ihr, Dinge zu sagen, die andere nicht auszusprechen wagen. Der Premier, der auf Kritik sonst allergisch reagiert, erweist sich bei der Tochter als geduldiger und großzügiger Papa. „Das ist nur eine andere Form von hinterhältiger Zensur“, kommentierte sie die Tatsache, daß religiöse oder ethnische Konflikte im Vielvölkerstaat Malaysia verschwiegen werden, weil sonst nach Ansicht der Regierung Unruhen provoziert würden.

Als Beamte letztes Jahr drei Kandidatinnen eines Schönheitswettbewerbs verhafteten, weil sie im Badeanzug aufgetreten waren, bemerkte Mahathir bissig, die Tugendwächter hätten erst stundenlang zugeschaut, bis sie meinten, zum Schutz der öffentlichen Moral eingreifen zu müssen: „Die schiere Heuchelei.“ Und als die Behörden letztes Jahr Gastarbeitern aus Bangladesch verbieten wollten, malaysische Frauen zu heiraten, warf sie ihnen Rassismus und Sexismus vor.

Scharf kommentierte sie auch einen Skandal, der die malaysische Öffentlichkeit derzeit bewegt: Als eine 15jährige Schülerin zugab, mit mehr als einem Dutzend Männern geschlafen zu haben, wurde sie ins Erziehungsheim gebracht. Gegen mehrere Männer wurde wegen Vergewaltigung ermittelt. Der prominenteste, ein Minister, blieb hingegen unbehelligt. Jutta Lietsch