Malaysia sucht Rettung vor Spekulanten

Premier Mahathir fixiert den Wechselkurs des malaysischen Ringgit und beschränkt den Kapitalverkehr. Viele Finanzexperten sind entsetzt, widerspricht dies doch radikal den Vorschriften des IWF  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

„Das System der freien Marktwirtschaft hat versagt.“ So begründete Premierminister Mahathir Mohamad sein mit Spannung erwartetes Wirtschaftsprogramm, das Malaysia künftig vor den Machenschaften internationaler Spekulanten beschützen und vor einer tiefen Rezession retten soll.

Die wichtigsten Elemente: Der Wechselkurs wird festgelegt; außerdem kann Malaysias Währung nicht mehr im Ausland gehandelt werden. Ausländer, die Ringgit in andere Währungen tauschen wollen, brauchen dazu die Erlaubnis der Zentralbank in Kuala Lumpur. Touristen können allerdings nach wie vor kleine Summen in malaysischem Geld ein- und ausführen. Überdies dürfen Ausländer, die in malaysische Aktien investieren, ihr Geld erst nach einem Jahr wieder aus dem Land abziehen.

Mit einer Mischung aus Faszination und Grausen hatten Ökonomen in ganz Südostasien am Dienstag der im Fernsehen übertragenen einstündigen Rede Mahathirs gelauscht. Denn die angekündigten Maßnahmen widersprechen allen Rezepten, die der Internationale Währungsfonds (IWF) und das mächtige amerikanische Finanzministerium zur Bewältigung der schweren Wirtschaftskrise verschrieben haben, die seit 1997 Asien erfaßt hat.

Statt die Zinsen hoch zu halten, um ausländische Investoren anzulocken, soll die malaysische Zentralbank Kredite billiger machen, meint Mahathir. Damit erhalten die bedrängten Unternehmen des Landes Spielraum, dringend nötige Investitionen zu finanzieren.

Scharf ging der 72jährige Premier mit all jenen ins Gericht, die jede staatliche Kontrolle der internationalen Finanzflüsse ablehnen: „Wir können derzeit sehen, welchen Schaden dies in Südostasien, Nordostasien, in Rußland, Lateinamerika und überall verursacht hat. Die ganze harte Arbeit dieser Länder ist vernichtet worden, zugunsten einer kleinen Zahl von Spekulanten.“

Die ersten Reaktionen waren gemischt: In Kuala Lumpur fielen die Aktien zunächst steil ab, zogen am nächsten Tag wieder an. Gleichzeitig stieg der Kurs des Ringgit, der seit Beginn der Krise vor einem Jahr über 40 Prozent seines Wertes gegenüber dem Dollar verloren hat.

An den internationalen Börsen, in Banken und Unternehmen rauften sich die Manager die Haare, weil die Informationen über die neuen Regeln konfus waren. Ausländische Aktienhändler verurteilten die neuen Kontrollen als „Todesstoß für ausländische Investitionen in Malaysia“.

Doch es gab auch andere Stimmen: „Was ist, wenn Premierminister Mahathir Mohamad recht hat?“ fragte das Asian Wall Street Journal gestern. Das höchst neoliberale Blatt warf dem IWF vor, „das Problem, und nicht die Lösung“ in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zu sein, und forderte sogar IWF-Chef Michel Camdessus zum Rücktritt auf, weil er nicht bereit sei, die Irrtümer seiner Institution einzugestehen.

Der bekannte US-Ökonom Paul Krugmann, der schon in Zeiten des asiatischen Booms vor dem Zusammenbruch gewarnt hatte, sprach sich erst kürzlich für „kurzfristige“ Kontrollen des Devisenhandels aus. In einem offenen Brief an Mahathir warnte er gestern allerdings, er dürfe die dringend nötigen Wirtschaftsreformen nicht vernachlässigen.