Ruanda-Tribunal fällt Schuldspruch wegen Völkermordes

■ Der frühere ruandische Bürgermeister Jean-Paul Akayesu wurde im tansanischen Arusha für schuldig befunden

Berlin/Arusha (taz) – Zum ersten Mal hat ein internationales Tribunal gestern ein Urteil wegen Völkermordes gesprochen. Vor dem Ruanda-Tribunal der UNO im tansanischen Arusha wurde der einstige Bürgermeister des ruandischen Taba, Jean-Paul Akayesu, des Völkermordes für schuldig befunden. Das Gericht hielt es für erwiesen, daß Akayesu am Genozid an über 800.000 Menschen, hauptsächlich Angehörige der Tutsi-Minderheit, in Ruanda 1994 beteiligt war. In Akayesus Gemeinde Taba starben damals über 2.000 Tutsi. Die Verteidigung legte nach dem Urteilsspruch Berufung ein.

Die Bedeutung des Urteils liegt vor allem in seiner Präzedenzfunktion. Zum ersten Mal interpretierte ein Gericht die Völkermordkonvention von 1948 und ihre Anwendung in einem konkreten Strafprozeß. Es definierte außerdem zum ersten Mal in einem internationalen Gerichtsverfahren, daß Vergewaltigung für den Tatbestand des Völkermords ausreichen kann, wenn sie mit dem Ziel begangen wurde, einer Gruppe als solcher zu schaden. So wurden in Taba viele Tutsi-Frauen allein aus dem Grund, daß sie Tutsi waren, vor ihrer Tötung vergewaltigt. Die künftige internationale Rechtsprechung wird diese Einschätzung übernehmen müssen. Das Tribunal setzt heute seine Arbeit mit einer letzten Anhörung des ruandischen Politikers Jean Kambanda fort. Kambanda, Premierminister Ruandas während des Völkermordes, hatte sich am 1.Mai vor dem Tribunal für schuldig erklärt. Das Strafmaß gegen ihn soll am Freitag verkündet werden. D.J./pb

Tagesthema Seite 3