Burg Schreckenstein 2000

■ Blaue Augen, erste Liebe, Freundschaft, Scheidung, Zensuren: Heute startet im Kinderkanal "Schloß Einstein", die erste (wöchentliche) Kinder-Soap im deutschen Fernsehen (ab 17.05 Uhr)

Während Nils auf Schloß Friedenau Amok läuft („Verbotene Liebe“) und Meike in Köln von Rechtsradikalen gejagt wird („Marienhof“), erwacht im brandenburgischen Albert-Einstein-Gymnasium-Internat Schloß Seelitz ganz undramatisch erstes Leben. Nach und nach trudeln Alexandra, Tom, Marc, Budhi, Iris, Antje und Katharina aus den Sommerferien ein, damit heute um 17.05 Uhr die erste „Kinder-Weekly“ Deutschlands im ARD/ZDF-Kinderkanal Premiere feiern kann.

Für 76 Folgen wird sich künftig jeden Freitag 25 Minuten lang (Wh. Sa., 18.05 Uhr) alles um den Alltag der Sechst- und Siebtkläßler des naturwissenschaftlichen Gymnasiums drehen: von arbeitslosen Eltern, blauen Augen, erster Liebe, Freundschaft, Intrigen, Scheidung, Streichen bis zu Zensuren. Ein bißchen unbedarft, wie sich die Folgen in derlei Alltagsproblemen erschöpfen und gesellschaftliche Realität weitgehend ausblenden, aber angenehm unterhaltsam und sicherlich auch pädagogisch leidlich wertvoll: eine visuelle Mischung aus Burg Schreckenstein und Hanni und Nanni für das dritte Jahrtausend.

So harmlos, wie die von Gunter Kraä („Achterbahn“, „Marienhof“) in klassischer Soap-opera- Manier verfilmten Geschichten daherkommen, werden auf alle Fälle jene Eltern wieder ihre Freude an „Schloß Einstein“ haben, die auch bisher ihre Kinder begeistert „Flipper“ im Kinderkanal gucken ließen. Ob sich jedoch die an härteren Stoff wie „Power Rangers“ und „Sailormoon“ gewöhnte Zielgruppe der Neun- bis Dreizehnjährigen für Alexandras technische Tüfteleien mit regelmäßigen Stromhavarien, Nadines Hineinwachsen in das Internatsleben und die Rivalität mit der Dorfjugend begeistern kann?

Bedenken, daß man damit die Nachwuchszuschauer nur an die richtigen Soaps gewöhne, hat Programmchef Albert Schäfer nach eigenem Bekunden nicht. Denn diese guckten die meisten der jungen Zuschauer ohnehin schon lange. Der Kinderkanal, sagt er, „reagiert nur auf die Nachfrage“.

Ob sich „Schloß Einstein“ durchsetzt, „wird man aber sicher erst in zwei bis drei Monaten sagen können“, so Schäfer. Dann wird man auch noch einmal darüber nachdenken müssen, ob die „Lindenstraße für Zwölfjährige“, deren erste 76 Folgen 18 Millionen Mark aus dem Rundfunkgebührentopf für den Kinderkanal kosten, fortgesetzt wird. „Die ARD und wir wollen das unbedingt“, so Schäfer. Man müsse aber erst einmal „sehen, wie sich die Arbeit mit den Kindern entwickelt und ob wir diese enorme Investition weiterführen wollen“. Für das Geld könne man schließlich „das Fünf- bis Zehnfache“ an internationaler Lizenzware kaufen.

Dies möchte der Kinderkanal aber unbedingt vermeiden, um nicht wieder den Vorwurf zu schüren, er sei eine reine Abspielstätte für Archivmaterial. Ein „Meilenstein des Kinderfernsehens“ ist „Schloß Einstein“ laut Schäfer aber vor allem, weil es dem Sender ein neues Genre erschließt, so daß man sich endlich auch nicht mehr anhören müsse, Fernsehen von vorgestern zu machen. Ania Mauruschat