Dreimal Goethe in Reykjavik?

■ Gerhard Schröder und Antje Vollmer engagieren sich für den Erhalt des Goethe-Instituts auf Island. Auch die Bundesregierung möchte offenbar die Schließung wieder rückgängig machen

Zunächst klang es nur wie eine Künstleraktion unter vielen. Nach der Schließung des einzigen Goethe-Instituts auf Island am 31. März 1998 eröffneten Asta Ólafsdóttir und Wolfgang Müller am 31. Juli 1998 am gleichen Ort das weltweit erste private Goethe-Institut. In den Räumen des Nýlistasafnid (Living Art Museum) in Reykjavik wurde das neue Programm präsentiert, das neben Diskussionen über Kultur und Politik auch Lektionen in Elfen- und Zwergenkunde umfaßte.

Zahlreiche Isländer unterstützten die Ausstattung des neuen Instituts durch Geschenke wie Möbel, Bücher, Blumen und Videobänder. Die Chefin des Hörspiels beim Isländischen Rundfunk, Maria Kristjánsdóttir, steuerte für die Bibliothek eine Buchreihe zum deutschen Widerstand bei, Dr. Indridi Benediktsson, isländischer Mitarbeiter der EU in Brüssel, überbrachte eine Schullehrtafel über Madenbefall bei Kohlfeldern, und die Grande Dame des isländischen Theaters, Kristbjörg Kjeld, stiftete einen Topf mit Alpenveilchen. Der Generalsekretär der Sozialistischen Althydubandalagid- Partei, Heimir Már Pétursson, schickte dem Institut ein blumenverziertes Solidaritätstelegramm.

Auch aus Deutschland erhielt das neue Goethe-Institut zahlreiche per Fax und Brief übermittelte Glückwünsche oder Buchgeschenke von Privatpersonen und Institutionen. Unterstützungen in Form von Buchspenden kamen u.a. vom Rotbuch-Verlag, der Literaturzeitung Muschelhaufen und dem Martin Schmitz Verlag. Diverse Künstler aus Deutschland, die schon immer mal in Island Arbeiten ausstellen wollten, nutzten den privaten Goethe-Faxanschluß und sandten ihre Zeichnungen über den Atlantik. Nach Ende der zweiwöchigen Ausstellung bleibt das Nýlistasafnid weiterhin die vorläufige Adresse der neuen Goethe-Institution. Das staatliche Goethe-Institut reagierte auf die Privatisierung seiner Zweigstelle freundlich und wohlwollend. „Wir finden das Projekt originell“, äußerte sich Pressesprecher Dr. Stephan Wackwitz am 11. August 1998 in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen. „Originell ist immer etwas, mit dem man nichts zu tun hat oder haben möchte“, findet dagegen Ásta Ólafsdóttir. Institutschef Wolfgang Müller ergänzt: „Ich halte es für eine Notwendigkeit, ein Goethe-Institut in Island zu haben; die Schließung im März war unglaublich, unmöglich und beleidigend. Mit einem Wort: originell.“ Die Neugründung sei daher nicht originell, sondern nur banal.

Neben Antje Vollmers Büro hat auch das Büro von Gerhard Schröder vor einer Woche dem neuen Goethe-Institut Grüße übermittelt: „Sie und Ihre engagierten Freunde sollen wissen, daß nach dem Wahlsieg eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung die Entscheidungen der jetzigen Bundesregierung zur Schließung von Goethe-Instituten überprüfen wird, da wir der deutschen Kulturvertretung im Ausland hohe Bedeutung beimessen und daher, wo immer möglich, die finanziellen Engpässe überwinden wollen.“

Drei Wochen nach der Neugründung wurde in der isländischen Tageszeitung DV eine Meldung veröffentlicht, nach der das deutsche Außenministerium gedenkt, im September 1998 pünktlich zur Bundestagswahl das isländische Goethe-Institut wiederzueröffnen. Möglicherweise hat die Bundesregierung den Schaden, der durch die Schließung entstanden ist, mittlerweile realisiert. Das private Goethe-Institut plant jedenfalls zum 250. Geburtstag Goethes am 28. August 1999 eine Party in Reykjavik mit dem Titel „Jardepli“ (dt. wörtl. Grundbirne = Erdapfel/Kartoffel). Klaus Laufer