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rein“ „Da muß mal wieder

■ Herr Fabsi spielt auf bei der Party der APPD im Tower und steigt ganz groß ein ins Galopprenngeschäft – vielleicht

Neulich suchte Altpunker Fabsi die Popkomm in Köln auf. Nein, nicht um sich einen der Comet-Preise abzuholen. Er stand auf 2 Quadratmeter Popkomm mit Haute Coture (z.B. T-Shirts) und der hohen Punkkunst seines Weser Labels im Handgepäck. Den Cometpreis erhielten ja leider nur Gorbatschow, die Backstreet Boys, Guildo Horn und so. Im Gegensatz zu Gorbatschow erhielt Fabsi dafür Erkenntnisse. Nämlich über die schleichenden, doch unaufhaltsamen Veränderungen im Musikbusiness. Am kommenden Montag beteiligt sich Fabsi an der APPD-Party. Die zeitliche Nähe zwischen Popkomm und APPD-Party ließ es für angebracht erscheinen, mit Herrn Fabsi über die beiden inhaltlich eher konträren Events zu plaudern.

taz: Deine Band „Fabsi & The Peanutsclub“ erniedrigt sich dazu, den Werbeträger der Anarchistischen Pogopartei Deutschlands (APPD) zu spielen. Wie das?

Herr Fabsi: Man wird bezahlt. Für die musikalische Untermalung von zehn Parteifeten in ganz Deutschland bekommen wir eine Million Mark.

Schön. Welche Bank hat die APPD überfallen, um euch löhnen zu können?

Haben diiiie doch nicht nötig. Das sind alles Banker in Toppositionen. Da steckt geballte Wirtschaftskraft dahinter. Vermutlich ist dies auch der Grund dafür, daß der Verfassungsschutz im bayerischen Fürstenfeldbruck hellhörig geworden ist. Aber der Reihe nach: Interessanterweise war ausgerechnet Bayern das erste Land, in der die APPD die Hürde für die Wahlzulassung überspringen konnte. Die vorgelegten Unterschriftenlisten wurden von den Einwohnermeldeämtern abgecheckt: richtige Adressangabe, Alter über 18 jahre etc. Das ist korrekt und durchaus üblich. Keineswegs üblich ist es allerdings, daß diese Unterstützungslisten weitergeleitet wurden an die bayerische Kripo, Abteilung Staatsschutz. Mehrere Unterstützer wurden bereits vorgeladen oder zuhause aufgesucht. Da wurde den Leuten erzählt, die APPD sei eine verbotene Partei. Was natürlich Quatsch ist. Wir vermuten, daß es nicht um Aufdeckung von Unterschriftenfälschung geht, sondern daß Unterstützer der APPD gezielt eingeschüchtert werden sollen. Ein klarer Fall von Verstoß gegen den Datenschutz.

Wenn das stimmt, eigentlich eine große Ehre für die APPD, so ernst genommen zu werden.

In Wiesbaden soll eine APPD-Anhängerin vom BKA um Spitzeldienste gebeten worden sein. Die APPD macht offensichtlich viele Menschen sehr nervös. Das allein finde ich ist Grund genug, diese Partei zu unterstützen. Ich bin Parteimitglied. Und das Weser Label hat das Merchandising übernommen. Die Landesparteien beziehen von uns T-Shirts, Parteiprogramm, Buttons und Aufkleber mit APPD-Delirien, fast zum Selbstkostenpreis. Beim T-Shirt liegt unser Aufschlag irgendwo zwischen einer und zwei Mark; gerade genug zum Decken unserer Portogebühren. Die kriegen von uns die Shirts für 9.90 und verkaufen sie für 19.90, um damit ihren Wahlkampf zu finanzieren, Plakate und so. (Bei Verkauf über den Katalog allerdings ist es das Weserlabel, das den Aufschlag von zehn Mark verdient; Anm. d. Red.) Die Zeitschrift Prinz hat das Merchandising aller Parteien bewertet. Da liegt die APPD natürlich ganz weit vorne. – Obwohl ich persönlich die Badelatschen der CDU favorisieren würde. Das ideale Produkt für die Figur Kohl.

Was kann die APPD bewirken?

Spaß. Legalen Spaß. Wenn du erst mal wie wir 15.000 Mark blechen mußt wegen des falschen Barschel-T-Shirts, wenn du wegen einer keineswegs bösartigen Verballhornung des Wortes Greenpeace viel Lehrgeld und noch mehr hartes Geld zahlen mußtest, dann schätzt du diesen risikolosen Fun. Aber es geht um mehr. Die APPD kann Mechanismen unserer Demokratie entlarven. Schröder legte kürzlich sein gewichtiges Programm für die ersten hundert Tage nach der Wahl vor. Was er als erstes nach der Wahl tun wird, ist aber vermutlich in Urlaub zu fahren. Die APPD sagt gleich: Wenn wir die Wahl gewinnen, fliegen wir nach Hawaii. Das ist Wahrheit als Waffe.

Wie kam es zur Gründung?

Die APPD gibt es seit 1983. Eine Partei war man damals in der Kornstraße in Hannover noch nicht, hatte aber immerhin eine Parteibibel. 1994 begann man, ernst zu machen mit dem Spaß.

Wer?

Alles Urgestein des Punks mit grauen Haaren und so. Der zehnte Frühling. Und es wird noch einen elften und zwölften geben. Das ist unser Leben. Und wenn ich 50 bin, wird wieder irgendetwas Neues passieren. Auf der Popkomm zum Beispiel fantasierten einige Leute rum über die Entdeckung eines neuen Volkssports: das Trabrennen. So als Alternative zum Fußball. Denn es gibt in Deutschland unheimlich viele winzige Trabrennbahnen. Aus den Rennen könnte man Happenings der Punk- und Alternativszenen machen. Die Pferde würden Johnny Rotten heißen, zu essen gäb's Bratwurst, spielen täten die Fabsis, und die Wetteinnahmen bekommen wir. Im Moment boomt ja das Wetten: Alle spielen Lotto, keiner hat Geld. Die Alternativszene hinkt. Die Bands kriegen keine Verträge mehr, das haben wir auf der Popkomm erlebt. Da muß wieder Wallung rein. Wir müssen neue Bereiche finden, jenseits von Kultur.

Warum wollt ihr nicht den Kegelsport okkupieren?

Zu schlechte Luft.

Die Musikbranche zeigte sich auf der Popkomm panisch: Wegbrechen der CD-Verkäufe, Bedrohung durchs Internet ...

Zwei Gründe: Die Majorlabels haben keinen Mut mehr, neue Sachen zu etablieren. Meinst Du, da hätte auf der Popkomm auch nur ein einziges großes Label bei uns vorbeigeschaut um zu gucken, was wir produzieren? Keine Neugierde bei dem Haufen. Richtig manisch ist stattdessen das Schielen nach der Hitsingle geworden. Dabei gibt es genug Beispiele für Bands, die Erfolg hatten auch ohne den einen dicken Ohrwurm. Im Moment zum Beispiel Joachim Witt. Sein Stück „Die Flut“ ist absolut genial.

Ein Hit.

Kein klassischer Hit und trotzdem auf Platz 5 gelandet. Auf der anderen Seite gibt es Tonträger zum Totwerfen. Eine Schwemme. Die Plattenläden ertrinken darin – und ordern nur noch Chartsplazierungen. Kaum beherrscht ein Gitarrist einen Akkordgriff, kaum würgt der dazugehörige Sänger ein englisches Wort heraus, wird der CD-Brenner angeschmissen. Ein, zwei Titel taugen etwas, der Rest ist Müll. Da waren wir früher bescheidener. Eine Single genügte für den Anfang. Die vertickten wir auf den Konzerten. Und trotzdem sitzt jeder Musiker meiner Generation, den ich kenne, auf einer Tonne Singles in seinem Keller. Heute gibt es viel mehr Bands.

Ein Verbot täte Not, welches das Pressen von CDs unter Strafe stellt.

Einsicht in die eigene Überflüssigkeit wäre für manche Band schon genug. Ihre Longplayers vergammeln bei Minivertrieben, die extra gegründet wurden für die eigene Band und die des Nachbardorfs. Läßt sich das Zeug nicht losschlagen – was es eigentlich nie tut – wird getauscht mit einem anderen Minilabel. 10 CDs von deiner Band gegen 10 CDs von meiner Band. Die Sitten des türkischen Basars. Auch abrechnungstechnisch wird das immer schwieriger. Hatten wir früher einen Newcomer, haben wir 3.000 Stück gepreßt. Heute sind wir froh, wenn wir bei einem Newcomer 300 CDs verkaufen. In den letzten vier Jahren ist unser Umsatz um 30 Prozent zurückgegangen. Jeder hat sein Lager bis zur Decke voll.

Was tun?

Manche reagieren auf die Misere mit Aufblähung: „Man müsse aufstocken, ausweiten, anbauen – mehr, mehr ...“. Wir dagegen verkleinern. Vor allen den Vertrieb. Für unsere Mailorder hatten wir bislang 250 Bezugsquellen für T-Shirts, Postkarten, Aufkleber usw.

250 Lieferanten?

Das bedeutet ein enormes Hin und Her mit Rechnungen, Paketen, Portogebühren, Telefonaten, weil hier eine blöde Postkarte fehlt, dort eine CD nicht geliefert wurde. Jetzt reduzieren wir auf etwa 100 Lieferanten. Auch unseren Katalog verschicken wir nicht mehr an jeden. Zu teuer. Ob das fruchtet, wissen wir nicht. Natürlich auch wegen des Internets. Wenn Musik zu Hauf durch Glasfaserleitungen flitzt, wird sich irgendwann die Frage stellen: Haben wir noch eine Existenzberechtigung? Ich sage: Der Tonträger wird verschwinden.

Schlaflose Nächte?

Da müßte ich schon seit Jahren unter Schlaflosigkeit leiden. Aber die Lage wird Jahr für Jahr schlimmer.

Wann wirst Du dich aufhängen?

Vorerst specken wir lieber erstmal ab. Früher hatten wir sechs feste Mitarbeiter, heute drei.

Auch für die Bands wird es schwieriger.

Wer glaubt, mit Musik etwas verdienen zu können, ist naiv. Für die Bustas haben wir die 30.000 Mark für das Studio noch bezahlt. Heute müssen die Bands selber das Studio bezahlen. Traurig, aber unvermeidlich.

Haben sich außer der finanziellen Seite andere Dinge geändert?

Klar. Den alten Krause gibt's nicht mehr. Früher bin ich in meinen Plattenladen gegangen, egal ob es da fünf Pfennig teurer oder billiger war. Da stand er, der Krause. Der kannte meine Vorlieben und hatte schon ein Päckchen Platten für mich bereit unter den Tresen. Statt den Krauses gibt es heute Viva, der unpersönliche Bindfaden zum Konsumenten. Die Geschmäcker sind unberechenbarer geworden. Es gibt nicht mehr die klassischen Spartenhörer, die zum Beispiel auf Gothic stehen und Funkhörer in Grund und Boden verachten. Der heutige Hörer bekennt sich zur Polygamie. Auch der Fan ist ausgestorben. Im Alter von vierzehn, wenn die Sache mit den Boygroups endlich überwunden wurde als wär's die letzte Kinderkrankheit, verendet die Liebe fürs Leben – musikalisch. Höchstens noch die Ärzte, Westernhagen und Grönemeyer haben echte Fans der alten Schule. Auch der Tonträger ist keinem mehr heilig.

Wie machte sich das auf der Popkomm bemerkbar?

Allein schon bei den Fanzines. Im Fünfminutentakt schlurften seltsame Subjekte vorbei und wollten CDs abstauben – „Rezensionsexemplare für unsere Stadtzeitung“. Das waren dann ein paar fotokopierte Blätter mit einer Auflage von 500 Stück. Scheint so, als ob jeder, der zu geizig ist, Kohle für Musikträger auszugeben, sein eigenes Fanzine gründet. Damit sich dann wenigstens ein paar Leute für diese Papierverschwendung interessieren, findest du in diesen Zeitschriften nur den üblichen Mist wieder, exakt dasselbe wie im Fanzine, das ein Haus weiter produziert wurde. Dasselbe bei den sogenannten Undergroundzeitungen. Da ist alles ununterscheidbar geworden. Zusammen mit einigen Kollegen haben wir beschlossen, diesen Promotionirrsinn nicht mehr mitzumachen. Rezensionsexemplare rücken wir nur noch an ernstzunehmende Publikationen heraus (Die taz hat von Fabsi eine echte ganze CD bekommen, jaja!)

Ihr habt Euch einen anderen, besseren Werbeträger an Stelle der Zeitungen gesucht: Hansa-Bier.

Die haben unsere Band „Heiter bis Wolkig“ auf ihre Dosen genommen. Jetzt haben wir fürs erste das Merchandising für Hansa-Mützen, Hansa-Bierglas, Hansa-T-Shirt und Hansabierköcher übernommen. Auf drei Millionen Bierdosen haben die diese Dinge draufgedruckt mit unserer Adresse als Bezugsquelle. Die schwirren nun durch Deutschland rum.

Was ist Hansabier?

???

Tschuldigung.

Hansa ist Kult. Prolkult. Da ruft so mancher bei uns an, locker vom Gartenstuhl weg, und lallt seine Bestellung eher als sie zu sprechen, erzählt uns von seinem Hansa-Fan-Club und wie wunderschön der Eifelturm ist, den er aus Hansadosen nachgebaut hat. Wenn du solchen Leuten eine Regenjacke mit Aufdruck anbieten würdest, wie sie zum Beispiel Bürgerbier Becks im Sortiment hat, wären sie verstimmt. Zu Recht. Auch Budweisers noble Lederjacken, Füllfederhalter und deren 800-Mark Kühlschrank in Form einer Bierdose kämen bei Hansafans nicht gut an.

Ein 99-Pfennig-Bier?

Keine Ahnung, wir kriegen's umsonst.

Wann endlich lächelt Fabsi & The Peanutsclub von einer Hansadose herunter?

Wenn unser Lied „Dosenbier“ endlich als Megahit erkannt worden ist.

Wer wird nach den Goldenen Zitronen und den Busters die nächste Kultband des Weserlabels?

Los Banditos. Der TV-Sender Arte machte auf der Popkomm einen neuen Musiktrend aus: den Latinpunk. Los Banditos zählten sie dazu. Wer war erstaunter als wir? Latinpunk – noch nie gehört. Los Banditos sind vor allem vielseitig. Sie begleiten zum Beispiel avancierte Theaterprojekte und eine amerikanische Performancekünstlerin mit ihrer Musik. Wir betreuen sie zusammen mit dem Kamikaze Label und suchen jetzt den Kontakt zu einem großen Label. Die Industrie ist mittlerweile nämlich auch so schlau geworden, daß sie den Indielabels nicht gleich alles entreißt, sondern kooperiert. Das funktioniert im Idealfall arbeitsteilig. Der kleine Partner entdeckt und betreut die Bands, der große bietet Infrastruktur und Geld, zahlt die Videos und preßt sie in die Charts usw.

Am 7. September tretet ihr ab 21 Uhr mit „Kassierer“ im Bremer Tower auf. Ein Wort zu dieser Band.

Asozialgenial.

Fragen: Barbara Kern

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