Forschen, was das Zeug hält

■ Die Industrie hält die Solartechnik für einen wichtigen Zukunftsmarkt. Fachleute setzen auf die Dünnschichttechnik. ASE investiert rund ein Drittel des Umsatzes in die Forschung

Noch erfahren die Aktionäre der Siemens AG kaum etwas über die Aktivitäten des Tochterunternehmens Siemens Solar, an der die Siemens AG mit immerhin 51 Prozent beteiligt ist. Im Geschäftsbericht 1997 verschwindet der Solarbereich unerkannt unter dem Oberbegriff „Passive Bauelemente und Röhren“. Gerade mal ein Promille des Gesamtumsatzes macht die Sparte Photovoltaik aus. Während Siemens-Chef Heinrich von Pierer in der Öffentlichkeit oft und gerne die Atomkraft als die Energietechnik der Zukunft darstellt („Wenn man am Ende des 20. Jahrhunderts überhaupt von einer alternativen Energiequelle sprechen darf, kann eigentlich nur die Kernenergie gemeint sein“), sorgt er auf der anderen Seite aber doch dafür, daß die Solarabteilung schon seit Jahr und Tag Verluste machen darf, ohne geschlossen zu werden. Gernot Oswald, Geschäftsführer von Siemens Solar, ist sogar überzeugt, daß von Pierer der Photovoltaik eine große Zukunft zutraut: „Ich persönlich kenne im Hause Siemens, mit Ausnahme der Mitarbeiter des Solarbereiches, nicht einen einzigen Menschen, der ein größerer Photovoltaik-Fan wäre als Herr von Pierer.“ Und so stehen Oswald nicht nur Mittel für den weiteren Ausbau der bestehenden Modulproduktion, sondern vor allem auch zur Finanzierung der Forschung zur Verfügung. „Wir geben zur Zeit etwa zwölf Prozent unseres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Das ist eine ganze Menge“, so Oswald. Der Jahresumsatz betrug im Geschäftsjahr 1996/97 rund 133 Millionen Mark.

Forschungsschwerpunkt ist nicht die konventionelle kristalline Siliziumtechnik, sondern das Modul aus Kupfer-Indium-Diselenid, kurz CIS genannt, für Oswald die Technik der Zukunft. Die CIS-Aktivitäten von Siemens Solar wurden in den USA durch das Departement of Energy (DOE) gefördert, in Deutschland vom Forschungsministerium und dem Freistaat Bayern sowie der Generaldirektion XII der Europäischen Union. Jetzt kann Siemens Solar erste Erfolge präsentieren. Auf der zweiten Weltkonferenz Photovoltaik, die im Juli dieses Jahres in Wien stattfand, wurden die ersten serienmäßig produzierten CIS- Module vorgestellt. Zwar beträgt die Leistung vorerst nur fünf oder zehn Watt, doch seien größere Module technisch problemlos möglich, nur eben derzeit noch nicht wirtschaftlich herstellbar.

Auch die im Bereich Photovoltaik tätige RWE-Tochter Angewandte Solarenergie ASE GmbH darf fleißig Geld für die Forschung und Entwicklung (F & E) ausgeben. „Wir investieren derzeit 30 Prozent des Jahresumsatzes in die Forschung“, erklärt Winfried Hoffmann, Geschäftsführer bei ASE, und hält dies für „ganz immens, erschlagend viel, extrem hoch“. Üblicherweise liegt der prozentuale Anteil der F & E-Investitionen in der Industrie bei wenigen Prozent. „Wir müssen derartig viel investieren, wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollen“, ist Hoffmann überzeugt. Bei einem Umsatz von 80 Millionen der gesamten ASE-Gruppe im letzten Finanzjahr betrugen die Forschungsaufwendungen somit rund 25 Millionen Mark. Davon wird etwa die Hälfte durch das Bundesforschungsministerium sowie das bayerische Wirtschaftsministerium aufgebracht. Die restlichen Mittel werden von der Muttergesellschaft Nukem GmbH, die wiederum eine 100prozentige RWE- Tochter ist, genehmigt. Auch Hoffmann ist mit dem Verhältnis zu seinen Vorgesetzten hochzufrieden, die die Bedeutung der Photovoltaik auf alle Fälle erkannt hätten. Zwar seien 80 Millionen Mark Jahresumsatz im Verhältnis zum Jahresumsatz der Nukem von einer Milliarde noch nicht besonders viel, doch erwartet Hoffmann schon für das laufende Geschäftsjahr eine Verdoppelung des Umsatzes. Allerdings werde wohl das Forschungsbudget nicht ganz im gleichen Maße steigen.

Investiert wird vor allem in die Weiterentwicklung der Siliziumtechnik. ASE produziert hierbei als weltweit einziges Unternehmen die Solarzellen durch das sogenannte EFG-Verfahren, bei dem aus der Siliziumschmelze ein Band gezogen wird, daß anschließend nur noch in Form geschnitten werden muß. Auch die neue Modulproduktionsstraße in Alzenau wird mit diesen bandgezogenen Solarzellen arbeiten. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt stellt amorphes Silizium dar. In Putzbrunn bei München arbeitet die ASE-Tochter Phototronics-Solartechnik vor allem an der Erhöhung des Wirkungsgrades sowie der Langzeitstabilität dieser Dünnschichttechnik. Das gesteigerte Interesse an Dünnschichttechniken, sei es nun CIS oder amorphes Silizium, liegt vor allem an dem zur Zeit immer knapper werdenden hochreinem Silizium, das derzeit noch direkt von der Halbleiterindustrie bezogen wird. Auf lange Sicht, so glauben sowohl Hoffmann als auch Oswald, liegt die Zukunft der Solartechnik in der Dünnschichttechnik. Und um mit dabeizusein, wird geforscht, was das Zeug hält. Auch wenn die Mütter RWE und Siemens in der Öffentlichkeit die Photovoltaik immer noch als vernachlässigbare Größe im Energiegeschäft darstellen. Anne Kreutzmann