Schluß mit dem Müsli-Chic

Während der Kleidungsmarkt schrumpft, wächst der Absatz von Naturtextilien rasant. Doch die Öko-Branche muß nach wie vor gegen ihr altbackenes Image kämpfen  ■ Von Danièle Weber

Ökologisch korrektes Outfit ist nicht gerade berühmt für modischen Chic in peppigen Farben. Auf der zweiten Branchenmesse ÖkoTex will man runter vom altbackenen „Öko-Look“: Statt dessen gibt es „Haute Nature“ auf dem Laufsteg zu sehen. Mit diesem Begriff feiern die anwesenden Öko-Modemacher ihre 150 neuen Herbst- und Winterkollektionen, die in Wallau bei Wiesbaden seit Samstag präsentiert werden.

Seit Jahren kämpft die Naturtextilbranche gegen den Ruf des Sack-und-Asche-Looks. Und findet dabei zunehmend Kundschaft. Obwohl gleichzeitig die vollsynthetische Technowelle rollt, hat der Markt für Naturtextilien in den letzten Jahren stetig zugenommen.

Die Frage allerdings: „Wann darf ein Kleidungsstück als Öko- Textilie bezeichnet werden?“, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Anders als im ökologischen Landbau gibt es nämlich keine bundes- oder europaweiten Richtlinien, die genaue Kriterien definieren (siehe Kasten). Deswegen und auch weil eine brancheneigene Marktforschung fehlt, ist es schwer, die Marktsituation in präzisen Zahlen zu beschreiben. „Die Branche muß transparenter werden“, sagt Herbert Klemisch vom Klaus Novy Institut in Köln. Fest steht: Die Entwicklung auf dem Markt ist für Naturtextilien weitaus positiver als für konventionelle Ware. Während im Einzelhandel der Textilienumsatz insgesamt leicht rückläufig ist, werden die Zuwächse in der Öko-Ecke auf 15 bis 20 Prozent geschätzt. Trotzdem: Alles in allem hat Öko-Kleidung nicht einmal ein Prozent Marktanteil.

Die meisten Öko-Klamotten werden nicht im Laden, sondern per Katalog gekauft – schätzungsweise eine Milliarde Mark machen damit die Versandhäuser. Unter den reinen Öko-Anbietern ist die vor 22 Jahren gegründete Firma Hess Natur marktführend. Das Versandhaus verschickt immerhin rund 600.000 Kataloge und machte 1997 rund 120 Millionen Umsatz. Etwa halb soviel setzen die Versender Panda und Waschbär um.

Den großen Boom erlebte die junge Branche Mitte der Neunziger. Damals verzeichneten manche Firmen Zuwachsraten von 50 Prozent. „Wir bekommen zunehmend Konkurrenz zu spüren“, erklärt Eberhard Schmid, geschäftsführender Gesellschafter beim schwäbischen Versandhaus Alb Natur, „auch aus dem konventionellen Bereich“ – also die großen Versandhäuser. Die reinen Öko- Versender nehmen nicht einmal mehr die Hälfte des Marktes ein.

Groß eingestiegen ist der Hamburger Otto-Versand, in dessen Katalog seit 1994 die ökologische „Future Collection“ nachgeschlagen werden kann. Auch im „normalen“ Programm setzt Otto vermehrt auf öko: Ein Drittel des gesamten Textilsortiments ist schadstoffgeprüft und durch ein entsprechendes Gütesiegel als „hautfreundlich“ ausgewiesen. Zählt man diese Ware zum Öko-Sortiment ist Otto derzeit mit einem Umsatz von 320 Millionen Mark an Öko-Textilien der größte Anbieter. „Im Moment arbeiten wir noch gegen den Markt“, sagt Michael Arretz vom „Environmental Department“ des Otto-Versands, „wir gehen davon aus, daß in zehn Jahren schadstoffarme Kleidung Standard sein wird.“ Heute schon die Zulieferer von morgen heranziehen, lautet die Devise. Denn Kleidung, die ökologische Ansprüche erfüllt, ist für Händler immer noch nicht leicht zu finden.

Dasselbe gilt für die Verbraucher. Mit dem aktuellen Öko-Angebot auf dem Textilmarkt sind viele nicht zufrieden. „Es ist mühsam, die Ware auf dem Markt zu finden“, sagt Cornelia Voß vom Wissenschaftsladen in Bonn. Als Hilfestellung für Verbraucher verfaßte sie einen Einkaufsleitfaden, der sich seit zwei Jahren einem großen Interesse erfreut. Vor allem das Wirrwarr an verschiedenen Öko-Siegeln, so Voß, sei viel zu undurchsichtig. Das bestätigt auch eine Umfrage der GfK Marktforschung in Nürnberg, die demnächst erscheint. „Die meisten Konsumenten wissen nicht, was hinter den verschiedenen Logos steckt“, sagt Projektleiterin Petra Dillemuth. Selbst die „ökologisch vorbelastete“ Kundschaft blickt kaum durch im Labeldschungel.

Prinzipielles Interesse hatten in der Umfrage viele der Befragten geäußert – in den Einkauf umgesetzt wird das allerdings von wenigen, hat Petra Dillemuth herausgefunden. „Viele steigen erst dann um, wenn sie Allergieprobleme haben“, sagt auch Cornelia Voß. Mehr Information über das, was Öko-Textilien an Qualität tatsächlich bieten, ist deshalb in der Branche angesagt. Marktforschung und die Schulung des eigenen Fachpersonals gehören deshalb zu den großen Themen der diesjährigen ÖkoTex.