Ein rechtes Schurkenstück Von Martin Sonneborn

Es war nämlich so: Vor einiger Zeit lud Ignatz Bubis in den Frankfurter Römer, um seinen 60. Geburtstag zu feiern. Und zwar mich! Weil ich nämlich in derselben Partei bin wie er – ich verrate Ihnen nicht zuviel, wenn ich sage, daß es sich dabei um eine kleine, aber feine liberale Trümmerpartei handelt! –, allerdings im Gegensatz zu ihm nur aus Spaß.

Und selbstverständlich ohne Mitgliedsbeiträge zu bezahlen; wo kämen wir denn da hin! (Obwohl mir der letzte Appell der FDP-Geschäftsstelle doch recht naheging. Schließlich ist es nicht schön zu hören, daß auch von den anderen, stets so seriös wirkenden Parteifreunden mittlerweile jeder dritte Knallkopf seine Zahlungen verweigert. Wo die Partei das Geld doch „derzeit dringend für Wahlkampf und so“ benötigt, damit wir demnächst nicht alle von „den grünen Polit-Hooligans“ regiert werden!) Wo wir da hinkämen? Zur Bubis-Geburtstagsfeier im Römer; aber das geht ja, wie man sieht, auch so. Und weil gerade die Redaktionsassistentin Staniewski einer Einladung zum Buffet, Tanz und Wein nie so recht abgeneigt ist, kam sie gleich mit. Ebenso übrigens eine ausgeliehene, professionelle Photoausrüstung, mittels derer ich zu vorgerückter Stunde meine Parteifreunde Kinkel, Gerhard und Krücke zu photographieren gedachte. Man kann ja nie wissen, was passiert.

Der Abend begann recht steif, und fürs erste fing ich an, die Dame Staniewski und mich mit mittelmäßigem Rotwein, aber wohlgeratenen Kanapees und feingeistigen Kommentaren zu den beachtlich einfallslosen Geburtstagsreden zu versorgen. So verbrachten wir die ein oder andere Stunde, und als meine Begleiterin das Fest verließ, fand sich sogleich jemand anderes, der meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte: Nach dem Dessert nämlich suchte das Geburtstagskind persönlich meine Gesellschaft, bat mich mit in eine Ecke und stellte mir zwei seiner ältesten Freunde vor, die extra aus dem Ausland herangereist seien. Sodann legte der Gastgeber in herrlicher Geste die Arme um die beiden, grinste hoheitlich in meine Kamera und gab mir Order, ein Bild zu machen, welches ich ihm später zuzuschicken hätte. Unnötig zu sagen, daß es mir hohe Ehre wie großes Vergnügen war, die drei Herren abwechselnd nach links und rechts zu dirigieren, minutenlang Lächeln und Positionen halten zu lassen! Um unter Berücksichtigung von Lichtverhältnissen, Schattenwurf und Komposition dann, als sie nahezu bereits unruhig zu werden drohten, mit der Einfühlsamkeit eines Newton, Feininger, ja: McBride leicht herunterzuschwenken und sechs paar Hochglanztreter abzulichten. Dreimal blitzte es, und beim letzten Mal nahm ich fast versöhnlich sogar die liberalen Knie mit ins Bild.

Trotz dieser Schandtat verließ ich den Römer aufgeräumt und bester Dinge, begab mich direkt zum Besitzer der Kamera und schilderte ihm – ich sage es ungern! – feixend und ohne geringste Gewissensbisse mein Schurkenstück. Wir stellten uns vor, was Bubis für ein Gesicht machen würde, und lachten, bis uns die Tränen kamen: Ich hatte vergessen, einen Film einzulegen. Keine Frage, daß mir das eine Lehre war! Ich schwor solcher Niedertracht für immer ab und mir, beim nächsten Mal vorher die Kamera zu kontrollieren.