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„Keiner hat Berührungsängste“

Nach zwei gescheiterten Anläufen rechnen die „Republikaner“ diesmal mit dem Sprung in den Bayerischen Landtag. Während die Reps im Wahlkampf hetzen, sind sie im Alltag der Kommunalpolitik oft bereits akzptiert  ■ Aus Uehlfeld Bernd Siegler

Johann Gärtner ist derzeit Tag und Nacht in Bayern unterwegs. Der graumelierte Unternehmer, der in Mering bei Augsburg eine kleine Firma für Einbauküchen besitzt, ist seit 1995 Landesvorsitzender der „Republikaner“ (Reps) und vor Ort ein allseits anerkannter Mann. Seit 1990 sitzt er im Kreistag und mimt dort den Biedermann. „Keiner hat Berührungsängste“, erzählt Gärtner voller Stolz. Der 48jährige ist Aufsichtsrat der Kreis-Wohnbau-Gesellschaft, Umweltausschußvorsitzender seines Fachhandelsverbands und Pressesprecher der regionalen Handelskooperation. Sogar mit grünen Kreisräten komme ab und an eine Fahrgemeinschaft zusammen, erzählt er. Die Reps, eine Partei, akzeptiert und nicht stigmatisiert, so sieht Gärtners Wunschvorstellung aus. In seiner Heimat scheint sie Wirklichkeit geworden zu sein – und am kommenden Sonntag ist Landtagswahl.

Mit einem Erfolg im „Stammland“ Bayern wollen die Reps ein „leuchtendes Signal für die Bundestagswahl“ setzen. Doch Gärtner und sein Bundesvorsitzender Rolf Schlierer sind Realisten genug, um zu wissen, daß bei einem erneuten Mißerfolg die Mobilisierung der Anhänger für den Bundestagswahlkampf „sehr, sehr schwierig“ werden wird. Die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit rechnet für diesen Fall sogar mit einem „Auseinanderbrechen der Partei“. 1990 scheiterten die Reps im Freistaat mit 4,9 Prozent nur denkbar knapp, vier Jahre später reichte es aber nur noch zu 3,9 Prozent.

„Jetzt packen wir's“, ist Gärtner überzeugt. Die Reps treten in allen 108 Stimmkreisen des Freistaats mit Direktkandidaten an, und mit dem bisherigen Verlauf des Wahlkampfes ist der bayerische Landeschef „hochzufrieden“. Keine überfüllten Bierzelte, kein Defiliermarsch beim Einzug der Matadoren, und das Bier schäumt auch nicht über die Maßkrüge hinaus. Statt dessen drängen sich in den Hinterzimmern von Dorfgaststätten, wie am vergangenen Wochenende im mittelfränkischen Uehlfeld, etwa hundert Bauern, Handwerker, Arbeiter und Skinheads, um geduldig dem zweistündigen Vortrag des Bundesvorsitzenden der Partei zuzuhören, die – so die Wahlkampfparole – „in Deutschland aufräumen“ will.

Schlierer, ein 43jähriger smarter Rechtsanwalt und Arzt aus Stuttgart, der seine politische Karriere bei der „Deutschen Burschenschaft“ und im rechtslastigen „Studienzentrum Weikersheim“ begann, verwechselt eine Stunde lang das Wirtshauszimmer mit einem Hörsaal. Er langweilt die Zuhörer mit endlosen Zahlenreihen, die das Versagen der „Altparteien“ dokumentieren sollen. „Wir sind eine seriöse, rechtsdemokratische Partei“, betont er jedes Wort mit einem Faustschlag auf das hölzerne Rednerpult.

1994 übernahm Schlierer den Parteivorsitz, entmachtete damit seinen einstigen Ziehvater, den populären Franz Schönhuber, und trieb ihn aus der Partei. Schlierer trat an, die Partei vom Ruch des Rechtsextremismus zu befreien. Es folgten innerparteiliche Querelen, Massenaustritte, Wahlschlappen und Millionenschulden. Inzwischen sind die Mitgliederzahlen bundesweit wieder auf 15.500 geklettert, allein in Bayern besitzen 4.300 das Parteibuch. Franz Schönhuber sowie die ehemaligen Vizebundesvorsitzenden Ottmar Wallner und Rudolf Krause haben inzwischen bei der „Deutschen Volksunion“ (DVU) ihre neue Heimat gefunden. „Wir sind heilfroh, daß wir diesen Ballast los sind“, sagt Schlierer, der zufrieden ist, schon wieder vier Millionen Mark in den Land- und Bundestagswahlkampf stecken zu können.

Daß in Bayern jeder zehnte seine Bereitschaft zur Wahl einer rechtsextremen Partei bekundete, beruhigt Gärtner und Schlierer über die aktuellen Umfragen hinweg. Dort rangieren die Reps derzeit bei nur drei Prozent. Doch der Hauptkonkurrent im Lager rechts von der CSU, die DVU, tritt in Bayern gar nicht erst an. „Die CSU vertritt bereits unsere Politik“, sah DVU-Chef Gerhard Frey eine Wahlbeteiligung im Freistaat als sinnlos an. Nur der „Bund Freier Bürger“ von Manfred Brunner, zu dessen Wahl Ex-Reps-Chef Schönhuber aufruft, und die in einigen Bezirken kandidierende NPD könnten die Reps Wählerstimmen kosten.

Als Hauptgegner betrachten die Reps die CSU. Sie beschuldigen die Stoiber-Partei des Plagiats. „Die CSU ist eine opportunistische Umfallerpartei, vor Wahlen übernimmt sie schnell unsere Forderungen, um dann wieder wortbrüchig zu werden“, tönt Schlierer und nennt Stoiber ein „Großmaul“, den Innenminister Beckstein einen „Kraftmeier“. So werben die Reps im Freistaat denn auch mit dem Slogan „Wir halten, was die CSU verspricht“.

„Republikaner wählen ist mehr als nur Protest“, lautet dagegen die Message der Fernseh- und Radiospots. Damit will man sich abheben von den „Protestparteien“ DVU und NPD und die eigene Seriosität unterstreichen. Dazu gehört auch die Verleugnung innerparteilicher Querelen. Daß der baden-württembergische Parteichef Christian Käs die „Leisetreterei“ seiner eigen Partei kritisierte und einen „flexiblen Umgang mit politischen Konkurrenten“ anmahnte, läßt Bayerns Landeschef Gärtner nicht gelten. Hinter Schlierers Kurs der Abgrenzung gegenüber DVU und NPD stünden „99 Prozent aller Mitglieder“. Inhaltlich ist von Abgrenzung dagegen keine Rede. „Kriminelle Ausländer raus“ und „Arbeit für Deutsche“ heißt es auf den Rep-Plakaten, „Arbeit zuerst für Deutsche“ bei der NPD.

Und auch Parteichef Schlierer hält das Kreidefressen nicht durch. Eine Stunde dauert es in Uehlfeld, bis aus dem Arzt der Oberstabsarzt der Reserve wird, der die Weltkriegssoldaten reinwäscht und die „Schnauze voll“ hat, noch länger „umerzogen zu werden“. Dann erinnert er sich seines Ziehvaters Schönhuber und verwendet dessen Floskel von Deutschland als „dem Sozialamt Mitteleuropas“. Anschließend schwadroniert er über „Schwarzafrikaner, wohlgenährt mit dicken Goldkettchen“, und türkische Familien, die „inklusive Wohngeld 8.800 Mark monatlich Sozialhilfe“ kassieren würden. Wenn Schlierer dann noch einen „deutlichen Rechtsruck in Deutschland“ fordert, dann sind alle, die Bauern, die Mittelständler und die Skinheads, zufrieden.

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