Endlich: Nie wieder schlechte Nachrichten von Ihrem Arbeitsamt

■ Ärgern Sie sich jeden Monat über hohe Arbeitslosenzahlen? Das muß nicht sein! Denn nicht die Statistik ist das Problem, sondern ihre Interpretation. Ob erwerbstätig oder ohne Job, mit dieser Anleitung können auch Sie Ihre ganz persönliche Trendwende begehen. Alles wird besser!

39.000 Arbeitslose weniger und damit 4,095 Millionen Menschen auf Stellensuche wird die Bundesanstalt für Arbeit wohl morgen vermelden können. Doch wer die gute und wer die schlechte Nachricht daraus strickt, das steht jetzt schon fest. Der Kanzler ist für die gute Nachricht zuständig: „Es geht aufwärts!“ SPD-Chef Lafontaine wird gegenhalten: „Alles nur ein Trick! Und überhaupt ist die Regierung schuld.“ Wie sich Arbeitsmarktstatistiken je nach Gusto interpretieren lassen, dazu gibt die taz hier eine Strickanleitung.

1. Die geniale Saison- Masche

Ist eigentlich nur etwas für Doofe, funktioniert aber trotzdem. Obwohl die Arbeitslosenzahlen nur saisonbedingt sinken, wird das als „Wende“ hochgejubelt oder, im gegenteiligen Fall, schlechtgemacht. Im Januar und Februar sind die Arbeitsmarktzahlen immer besonders mies, was am schlechten Wetter liegt. 4,8 Millionen Arbeitslose gab es im Januar. Die SPD dazu: „Die Bundesregierung mit ihrer falschen Wirtschaftspolitik ist schuld.“ Tatsache war, daß die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit im Januar sank.

Die Regierung treibt es noch schlimmer: Im März gingen 200.000 Leute weniger zum Arbeitsamt, schließlich wird im Frühjahr überall mehr gewerkelt. „Der Standort Deutschland hat den Turnaround geschafft“, jubelte Gunnar Uldall, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Tatsächlich aber lag der März-Wert immer noch höher als im März 1997.

2. Die erprobte West- Jubelmasche

Läuft zur Zeit am besten und ist noch nicht einmal gelogen. Im Mai gerieten die Regierungspolitiker endgültig ins Schwärmen: „Das Zünden des Investitionsmotors und die Schaffung von Arbeitsplätzen gehen jetzt Hand in Hand“, frohlockte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Zum erstenmal gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat 58.000 Arbeitslose weniger – in ganz Deutschland. Der Haken daran: Nur im Westen war die Arbeitslosigkeit gesunken, im Osten dagegen sogar gestiegen.

Die Gesamtzahlen verschleiern, daß manche Regionen auseinanderdriften. Der Aufschwung kommt, aber nur für manche Gebiete. Im Westen waren in Baden- Württemberg und Bayern im Mai weniger Leute arbeitslos als im Vergleichsmonat des Vorjahres, in Berlin und Schleswig-Holstein und den neuen Ländern dagegen mehr.

3. Die ostdeutsche ABM-Masche

Kostet zwar viel Geld, aber funktioniert besonders gut vor Wahlen. Im Juni war es auch im Osten soweit: Die Zahl der Arbeitslosen lag erstmals seit Jahren unter dem Wert des Vorjahres. „Die Trendwende am Arbeitsmarkt ist nun auch in den neuen Ländern deutlich“, frohlockte Regierungssprecher Otto Hauser. Auch im Osten wurden weniger Joblose registriert als im Vergleichsmonat des Vorjahres. In Wirklichkeit ließ sich die Trendwende vor allem in der Arbeitsmarktpolitik der Regierung ausmachen. Großzügig floß das Geld für ABM-Projekte: Im Juni fanden sich im Osten 70.000 mehr Leute in ABM als noch im März.

Damit gibt es in diesem Jahr zwar immer noch weniger ABMler als im Vorjahr. Aber neue Subventionen kamen hinzu: Rund 180.000 Beschäftigte ackern im Osten auf neu eingerichteten Lohnkostenzuschuß-Stellen in Betrieben. Wieviel davon nach Ablauf der einjährigen Zuschüsse hängenbleiben, ist völlig offen. Im nächsten Jahr ist der Subventions-Zauber vorbei. Doch Norbert Blüm (CDU) konnte gestern jubeln: Die Trendwende sei auch im Osten da.

4. Die unsichtbare Definitions- Masche

Ist besonders wirksam, weil fast unsichtbar. Würden ältere Erwerbslose mitgezählt, kletterten die Bilanzen der Bundesanstalt in die Höhe. Rund 200.000 Joblose im Alter von über 58 Jahren werden in der Statistik nicht mehr mitgezählt. Sie haben erklärt, daß sie keine Arbeit mehr suchen, sondern auf die Rente warten. In den ersten drei Monaten 1998 fielen zudem rund 50.000 Erwerbslose aus der Statistik heraus, weil sie es versäumt hatten, sich regelmäßig beim Arbeitsamt zu melden.

5. Im Notfall hilft: Die Trend-Masche

Ist in besonders schlimmen Zeiten das letzte Hilfsmittel: Die Arbeitslosenzahlen steigen im Vergleich zum Vorjahr, aber eben prozentual nicht mehr so stark wie in den Jahren davor. Zum Beispiel im September 1997, als die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahresmonat „nur“ um 12 Prozent zugenommen hatte. „Die Werte sind zwar immer noch schlechter, aber die Schlechterungsrate wird besser“, ließ sich damals Bernhard Jagoda vernehmen, Chef der Bundesanstalt für Arbeit. Barbara Dribbusch