Heiße Scheiße

■ Mit Jesús Alemanys Cubanismo steht der afro-kubanische Abend der Saison an

Wenn zwei gleichzeitig durchstarten und der eine abräumt, dann nennt man den anderen „Geheimtip“. Daß nicht Jesús Alemany der Topstar des sogenannten „Kuba-Booms“ geworden ist, liegt einfach daran, daß sein ehemaliger Bandkollege Juan de Marcos González mit seinen Afro-Cuban All Stars noch eine Schippe draufgelegt hat.

Gemeinsam erspielten sich die beiden seit den späten siebziger Jahren mit der Formation Sierra Maestra die große Tradition der afro-kubanischen Bigbands, vor knapp drei Jahren schlugen sie verschiedene Pfade ein. Während Tres-Spieler González die Sängerstars der vierziger und fünfziger Jahre zu einer nostalgischen Supergroup formierte, ließ Trompeter Alemany sein Ensemble so spielen, als sei die goldene Ära der Tropicana-Orchester gerade erst angebrochen.

Schon ein gutes Jahr vor der Buena-Vista-Mania zeigte Alemanys Debüt-Album Cubanismo, daß Latin-Jazz keinesfalls Mood-Musik von graumelierten US-Daddies sein muß. Gemeinhin mit „Jam-Session“ übersetzt, muß descarga hier „Einheizen“ heißen, denn was die Bläser- und die Rhythmussektion miteinander anstellen, ist heiße Scheiße.

Weil die Nachfolge-Alben Malembe aus dem Jahr 1997 und das zeitgleich zur Tour veröffentlichte Reincarnación mehr noch auf den klassischen Genres Mambo, Son, Guajira und Guaracha fußen – und das auf einem Niveau, wie es seit den Tagen des New Yorker Salsa-Booms Mitte der siebziger Jahre nicht mehr gehört ward – könnte das heutige Konzert zum afro-kubanischen Tanzabend der Saison werden.

Christoph Twickel

Fabrik, 21 Uhr