Verteidigung des Handwerks Von Jürgen Roth

Herr Droste äußerte kürzlich an dieser Stelle (4.9.) einiges z.T. evtl. Richtiges zum gegenwärtigen Stand des Handwerks. Ein Blick jedoch in die Historie des Nagelns, Schrubbens und Dübelns hätte den seinigen leicht schiefen und verzerrten korrigieren können.

Handwerk nämlich „hat Zukunft und Tradition“, wie die Innungszeitung FAZ (Färben AsphaltierenZementieren) anläßlich der 150. Wiederkehr des ersten Handwerker- und Gewerbekongresses in Frankfurt/Main eindrucksvoll dokumentierte. „Forderungen des Handwerks wurden formuliert.“ Und Jürgen Heyne, präsidialer Spitzenkopf der legendären demokratischen Handwerkskammer Rhein-Main, weiß: „Es wird spürbar, daß auch hier der Countdown für das nächste Jahrtausend läuft.“ Wo er recht spricht, spricht er wahr! „Das Handwerk steht im Dienst der Körperpflege, des Gesundheitswesens und der Reinigung“, fährt das Superhirn der Bäcker und Zweiradmechaniker mutig fort, bei Droste davon – kein Wort. Zähneputzen ohne gummidichtungsgeschützte Wasserversorgung – undenkbar! Droste dürfte das wissen.

„Für jeden Schmutz die richtige Lösung“ bieten außen rum die „Gebäudereiniger“ an, „angefangen bei der Shampoonierung und Sprühextraktion [...] bis hin zur Fassadenreinigung, der Krankenhausreinigung, der Flugzeugreinigung“, gerade dieser Tage ein lebenswichtiges Thema. „Besonderer Pluspunkt: Gesellen und Lehrlinge werden immer gesucht.“

Oft haben junge Menschen, die eine der 1,5 Mio. freien Stellen besetzen, politische Ächtung (s. Droste) zu erdulden und nicht verdient. „Als Stefan Smolarz seinen Freunden sagte, daß er eine Fleischerlehre machen werde, schüttelten die nur den Kopf.“ Wäre dem Azubi beim Karosseriebauer ähnliches widerfahren? Schwer zu sagen... Immerhin: „In vielen Betrieben sind die Inhaber zugleich auch Meister in ihrem Handwerk.“

Jene faszinierende Betätigungsbandbreite in Rechnung gestellt, die gipfelstärkste Meisterschaft erringen nach wie vor unsere Schuhmacher. Trendwende war auch hier, geschichtlich betrachtet, das Jahr 1848. Die Revolution der „Schuhindustrie“ zwang Bimser und Sohlenschneider zum radikal- reformistischen Paradigmenwechsel. Nunmehr hatten sie „industriell gefertigte Schuhe zu reparieren“, und die theoretische Einsicht in die eklatante Spaltung von Tausch- und Gebrauchswert wuchs rasant: „Das Wesentliche dieser Aufgabe ist es, den Wert eines Schuhs zu erkennen.“ Mit der ihr eigenen Bescheidenheit proklamiert die Schuhmacherinnung Hessen heute: „Die Geschichte des Menschen ist auch die Geschichte des Schuhes.“ Ohne ihn, den Schuh, hätte er, der Mensch, den aufrechten Gang niemals erlernt. Ernst Bloch (Erstlingswerk: Latente Spuren und utopische Schuhabdrücke) darf nun endlich als verstanden und, gleich dem phylogenetischen Marxismus, widerlegt gelten – es „werden die professionell gefertigten Schuhe überleben und einiges über uns und unseren Fortschritt erzählen.“

Und Droste? „Eines Tages aber werden tapfere, unerschrockene Journalisten alles rückhaltlos aufklären“, schreibt er – was hiermit geschehen sei. Der Umschwung in der Handwerks-Literatur ist da: „Nachfolgende Generationen werden in unseren Schuhen lesen“!