Standort Deutschland zieht Kapital an

■ Rekordinvestition von ausländischem Kapital in Deutschland. Rexrodt jubelt, doch wo das Geld bleibt und was es nützt, weiß niemand

Berlin (taz) – Vorbei sind die Zeiten, als „der Standort“ von der Politik zum zentralen Problem der Republik erklärt wurde. Ausländische Investoren haben im ersten Halbjahr 14,3 Milliarden Mark investiert, verkündete Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) gestern. „Einen höheren Halbjahreswert hat es seit Beginn der Erfassung in den 50er Jahren nicht gegeben“, frohlockte der Minister und führte die Entwicklung auf eine erfolgreiche Politik der Bundesregierung zurück.

„Direktinvestitionen können kein Standortindikator sein“, kontert dagegen Thomas Wetter, Gastmitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, der gerade über das Thema promoviert. Die statistische Erfassung von Finanzströmen ist nicht nur unzuverlässig, weil einzelne Großtransaktionen einen allgemeinen Trend vorgaukeln können. „Vor allem können aus Direktinvestitionen keine Wirkungen abgeleitet werden“, so der Wissenschaftler.

Denn laut Wetter sagt die Statistik nichts darüber aus, was mit dem Geld passiert – ob Anlagen dafür gekauft werden oder ob es sich nur um Kredite handelt, die möglicherweise ganz woanders auf der Welt für Investitionen oder Finanzgeschäfte genutzt werden.

Rexrodts Statistik räumt außerdem ein, daß die Investitionen deutscher Firmen im Ausland mit 30,6 Milliarden Mark nach wie vor wesentlich höher liegen als der umgekehrte Kapitalfluß. So belegen die Zahlen vor allem die zunehmende Verflechtung der EU-Wirtschaft. Denn 90 Prozent der ausländischen Anleger in Deutschland stammen aus der Europäischen Gemeinschaft. Umgekehrt bleiben 62 Prozent der deutschen Direktinvestitionen innerhalb der Europäischen Union.

Die USA verloren für deutsche Firmen offenbar massiv an Attraktivität: Weniger als halb soviel wie im Vorjahr floß dorthin (2,6 Milliarden). Dafür ging – trotz Krise – im ersten Halbjahr 1998 fast viermal soviel deutsches Geld nach Asien wie im vorigen Jahr: über 3,3 Milliarden Mark. Annette Jensen