: „Eine Schattenfinanzierung“
■ Ohne Finanzkonzept und Planfeststellungsbeschluß wird der Überseehafen verfüllt / Resultat: Kein Geld für TBT aber angeblich 3.000 Arbeitsplätze
Der Überseehafen wird komplett zugeschüttet, und der Senat läßt sich zur Finanzierung auf einen Schattenhaushalt ein. Obendrein wird mit dem Verfüllen begonnen, bevor ein gültiger Planfeststellungsbeschluß vorliegt. Und: Plötzlich ist die Geldbeschaffung ein Kinderspiel. Als es hieß, 22,4 Millionen Mark für TBT-verseuchten Hafenschlick loszueisen, ging in der Häfenbehörde das große Heulen und Zähneklappern los. Mit Erfolg – Niedersachsen und der Bund haben inzwischen zugestimmt, 250.000 Kubikmeter leicht TBT-belastetes Baggergut in der Nordsee zu verklappen. Nur der Rest – 100.000 Kubikmeter schwer verseuchter Schlick – wird in einem Pilotversuch in Bremerhaven ausgebracht (wir berichteten). Über diese dubiose und recht widersprüchliche Politik im Häfenressort sprach die taz mit dem zuständigen Staatsrat Gerd Markus.
taz: Herr Markus, der zweite Teil des Überseehafens wird jetzt ebenfalls zugeschüttet. Ein Finanzkonzept liegt aber nicht vor. Bildet das Häfenressort illegale Schattenhaushalte?
Gerd Markus, Staatsrat für Häfen: Das ist eine kurzfristige Zwischenfinanzierung. Formal haben Sie recht, und es ist eine Schattenfinanzierung, aber da das gesamte Konzept noch gestrickt werden muß und es auf marktorientierte Einnahmen aus Verpachtung zielt, halte ich das für vertretbar.
Vorgeschlagen war aus dem Häfenressort, bis zum Dezember ein Finanzkonzept vorzulegen. Jetzt hat der Senat ein Resultat bis Ende dieses Monats verlangt. Ist das zu schaffen?
Es geht dabei um ein vollständiges Finanzierungskonzept. Wir müssen uns also darauf einigen, aus welchen Quellen das Geld genommen wird. Es wird zudem nicht innerhalb von vier Wochen benötigt, sondern verteilt über mehr als zwei Jahre. In der Zwischenzeit wissen wir dann mehr über die Verwendungsmöglichkeiten des Gebiets und damit auch mehr über die Möglichkeiten der Finanzierung.
Das heißt im Klartext, jetzt müssen erst nur 25 Millionen Mark zur Verfügung stehen?
Richtig, aber das Gesamtprojekt einschließlich Großmarktumsiedlung kostet mehr als 300 Millionen Mark, der reine Bauteil liegt bei 240 Millionen Mark.
Sie sagen jetzt, 25 Millionen Mark kriegen wir in vier Wochen problemlos finanziert. Das steht in krassem Widerspruch zu den jüngsten Aussagen aus Ihrem Haus, daß die 22,4 Millionen Mark Zusatzkosten für die Landdeponierung giftigen Hafenschlamms unmöglich aufzubringen sind. Das klingt so, als sei der Umweltschutz völlig egal.
Nein – wir haben eine große Maßnahme zur Umgestaltung des rechten Weserufers vor uns. Wenn wir damit rechnen, daß wir aus diesen Maßnahmen später Einnahmen ziehen, dann muß man jetzt von einer Zwischenfinanzierung sprechen. Zumal diese per saldo auf künftige Einnahmen zielt. Die Entsorgung des Baggerguts bringt uns aber keine Einnahmen.
Das heißt, Einnahmen sind wichtiger als Umweltschutz?
Da möchte ich widersprechen. Sie übersehen, daß wir etwa 700 Millionen Mark nur in Bremen für die Deponierung und die Entsorgung bereitstellen. Hinzu kommt, daß wir in Bremerhaven die gesamte Bewässerungsstruktur neu gestalten...
...also vor allem die Schleusentore modernisieren...
...und zusammen mit dem Transport 160 Millionen Mark investieren – plus laufende Kosten des Deponierens. Vor diesem Hintergrund sind wir führend in Bremen in einer umweltbewußten Hafenpolitik.
Dennoch sollen jetzt 250.000 Kubikmeter TBT-Schlamm in der Nordsee verklappt werden. Diese an Land zu deponieren, würde 22,4 Millionen Mark kosten. Sind das nicht die berühmten Peanuts vor einem Milliardenbetrag?
Wissen Sie, ich spreche schon bei drei Millionen Mark nicht mehr von Peanuts, weil die Finanzlage Bremens schwierig ist. Wir hängen ab vom Goodwill und der Kooperationsbereitschaft der anderen Bundesländer und des Bundes. Und die sehen auch, wofür wir Geld ausgeben. Inzwischen sind wir Vorreiter bei der Behandlung und dem Umgang mit TBT. Daher finde ich den ständigen Vorwurf zu dem restlichen zu verklappenden Schlamm etwas schräg. Ich muß darauf hinweisen, daß dies ein kleiner Teilaspekt eines großen Konzeptes ist, daß sehr unweltfreundlich ist.
Wenden wir uns wieder dem Überseehafen zu. Das Häfenressort hat sich mit den Naturschutzverbänden darauf geeinigt, daß diese nicht gegen die Zuschüttung klagen. Damit steht einem Planfeststellungsbeschluß nichts mehr im Wege. Trotzdem wird widerrechtlich mit den Arbeiten bereits begonnen, bevor er bewilligt ist.
Wir haben Vorabgenehmigungen. Dies ist rechtlich möglich. Danach folgt die Abarbeitung der Ersatzmaßnahmen. Es handelt sich dabei unter anderem um zwei Fischtreppen in der Kleinen Weser.
Das Bauressort hat sich zudem bitter beschwert, daß man nicht das Gutachten abgewartet hat, daß klären sollte, ob es nicht besser wäre, ein Konzept Stadt am Wasser umzusetzen.
Es stand immer – schon in der Ausschreibung – fest, daß der gesamte Überseehafen verfüllt werden soll. Im Gegensatz zu Amsterdam, Rotterdam, Hamburg und Barcelona handelt es sich hier nicht um einen citynahen Standort. Der Überseehafen liegt mindestens fünf Kilometer von der Innenstadt weg.
Gesetzt der Fall, der Space Park wird Realität. Dann hätte man aber doch einen cityähnlichen Bereich in der Nähe.
In der Ausschreibung sind klare städtebauliche Vorgaben gemacht. Wir werden also nicht neben einem potentiellen Freizeitpark Schwerindustrie ansiedeln. Wohnbebauung können wir dort auch nicht etablieren, weil in der Umgebung trotzdem noch zu viel Lärm durch Unternehmen entsteht. Abgesehen davon, liegt der Space-Park beziehungsweise das alte AG Weser-Gelände selbst direkt am Wasser.
Sie können also verhindern, daß neben einem Erholungspark Kohlehalden entstehen?
Das ist Massengut, dafür haben wir den Industriehafen. Wir wollen dort Speicher oder Veredelungsgewerbe ansiedeln. Das hat an einem Hafenstandort erhebliche Vorteile, zumal auch Speditionsfirmen davon profitieren. Und alles, was an hochwertigen Gütern importiert wird, muß für den Einzelhandel erst fertiggemacht werden. Dafür sind Standorte wie der Überseehafen hochinteressant.
Das hört sich nach vielen neuen Arbeitsplätzen an.
Man kann mit 25 bis 40 Arbeitsplätzen pro Hektar rechnen. Insgesamt sprechen wir von einem Potential von mindestens 100 Hektar vermarktbare Fläche. Vorsichtig rechne ich mit mindestens 3.000 neuen Arbeitsplätzen.
Fragen: Jens Tittmann
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