Auf Biegen und Brechen

Die Handball-Bundesliga befindet sich im Wirtschaftskrieg. Aufsteiger TuS Schutterwald will trotz Mini-Etats überleben  ■ Von Frank Ketterer

Schutterwald (taz) – Die Euphorie des Aufstiegs ist längst verflogen, der Alltag hat sie hinweggeweht. Noch härter und mühsamer, als er ohnehin schon ist, wird dieser für die Männer des TuS Schutterwald in den nächsten siebeneinhalb Monaten sein; an deren Ende soll schließlich etwas stehen, das man dann fast schon als kleines Wunder feiern dürfte: Der Aufsteiger in die Handball-Bundesliga, die an diesem Wochenende in die Saison startet, will nicht gleich wieder absteigen.

Einen „Kampf auf Biegen und Brechen“ prophezeit Martin Heuberger, der Trainer; gut möglich, daß ihn der TuS schon verloren hat, bevor er überhaupt richtig begonnen: Der Verein aus der Ortenau geht, wie vor zwei Jahren, als am Ende der Abstieg als Ergebnis stand, mit dem mit Abstand niedrigsten Etat der ganzen Liga an den Start. Zwischen 1,5 und 1,6 Millionen Mark darf die Saison offiziell nur kosten. Das ist in der ersten Liga ein eher lächerliches Sümmchen, ein Großteil der Konkurrenz bringt es leicht aufs Doppelte.

„Schade, daß das Geld eine so große Rolle spielt“, sagt Heuberger (34), an die Auswirkungen auf sein Traineramt hat er sich längst schon gewöhnt. Wo die Kollegen handballernde Stars aus aller Welt zusammengekauft und die Bundesliga peu à peu zur stärksten Liga der Welt gemacht haben, mußte er stets sparsam haushalten. Wenigstens haben sie ihm diesmal nicht auch noch seine Besten weggekauft. In seiner vierten Saison als Trainer kann Heuberger erstmals mit einem eingespielten Team an den Start gehen, mit Dieter Springel (kam von Bayer Dormagen) und Andreas Bulei (SG Flensburg) hat sich der TuS gar verstärkt, im Rahmen seiner enggesteckten Möglichkeiten versteht sich.

Dennoch macht Heuberger eine „Zweiklassengesellschaft“ in ein und derselben Liga aus, sein TuS gehört zur untersten Kaste. Daß nicht alle Klubs, die mehr Geld ausgeben als die Schutterwälder, auch tatsächlich mehr davon haben, ist seit einigen Jahren eine traurige Wahrheit in der Liga der Superlative. „Wettbewerbsverzerrung“ haben sie das beim letzten Abstieg in Schutterwald genannt.

„Die Geldrangliste kann über die Meisterschaft entscheiden“, sagt auch Essens neuer Trainer Jörn-Uwe Lommel, „einen Wirtschaftskrieg“ fürchtet er gar. Dazu passen die Boom-Meldungen, mit denen die Liga, angeheizt vom dritten Platz der Nationalmannschaft bei der EM, von sich reden macht: 30.000 Dauerkarten wurden bisher abgesetzt, das ist Rekord; auf 70 Millionen Mark werden die Gesamtetats aller Bundesligisten geschätzt, das ist Wahnsinn. Zwar stieg die Zahl der ausländischen Stars, die hierzulande ihre Brötchen verdienen, nur um sieben, doch wo sollen sie auch herkommen, wo doch schon alle da sind, 77 nämlich an der Zahl.

Das Ende des Wachstums soll dennoch längst noch nicht erreicht sein. Mit Werner Köster hat man sich einen anerkannten PR-Fachmann ins Boot geholt, der nach eigener Aussage „an die Vermarktungskraft des Handballs“ glaubt – und sie offensiv vorantreiben will. Ein einheitliches Logo für die letztmals 16 Bundesligisten wurde schon entworfen, das DSF überträgt zudem wieder sein „Spiel der Woche“, die vom Sender geforderten 35.000 Mark Übertragungskosten pro Partie werden von zwei Sponsoren übernommen.

In Schutterwald sieht man diese Maßlosigkeit mit eher gemischten Gefühlen. Mehr denn je zwingt sie den Verein, auf dem schmalen Grat von zu Machendem und Machbarem zu wandeln. Unzählige Gespräche mit potentiellen Sponsoren hat Ralph Bächle, 2. Vorsitzender, Hallensprecher und für die Finanzen zuständig, in den letzten Monaten geführt. „Das, was uns einen richtigen Schritt weiterbringen würde, ist bisher nicht passiert“, stellt er ernüchtert fest.

Am Umfeld der ländlich strukturierten Region liegt es nicht, glaubt Bächle, „Potenz für 2,5 bis drei Millionen Mark pro Jahr“ könne auch die Ortenau aufbringen, das würde reichen, um die Bundesliga vernünftig angehen zu können. Daß der Etat für die beginnende Runde nur unwesentlich mehr als die Hälfte davon beträgt, macht Bächle auch an seiner Position fest, besser gesagt an deren Ehrenamtlichkeit: Mehr als er sich, im richtigen Leben Versicherungskaufmann, in seinen freien Stunden um den TuS kümmert, geht eben nicht. „Ich bin langsam, aber sicher an meinen Grenzen angelangt“, gibt Bächle zu.

Das gilt für den ganzen Verein, am meisten wohl für den Trainer, der gleichsam auch „Mädchen für alles“ ist. Tagsüber kümmert sich Martin Heuberger als Verwaltungsinspektor im Landratsamt um Umweltdinge, die Abende und Wochenenden gehören dem TuS, ab 22 Uhr bleibt ein kleiner Rest Zeit für Frau und Kinder. „Ich bin halt mit dem Verein aufgewachsen“, begründet Heuberger, warum er sich das antut. Schon als E-Jugendlicher war er ein „Roter Teufel“, später hat er es bis zum Kreisläufer der Nationalmannschaft gebracht. „Der TuS ist für mich auch ein Stück Familie“, sagt er. „Leidenschaft“ nennt Heuberger das Verhältnis zwischen sich und dem Verein, mit dieser Leidenschaft und diesem unbändigen Einsatz müssen sie nun wieder die Millionen der Konkurrenz auszugleichen versuchen. Wenn es gelingt, darf es ruhig als Wunder gefeiert werden.