Anschluß im Flug nicht inbegriffen

Die EU-Kommission droht, den Umzug in den neuen Mailänder Flughafen zu stoppen. Begründung: Organisationschaos und mangelnde Abstimmung. Für die hochverschuldeten Bauträger wird es allmählich eng  ■ Aus Mailand Werner Raith

Brüssel macht Druck. Italien habe binnen einer Woche einen Kompromißvorschlag vorzulegen, wie der Streit um den Mailänder Flughafen Malpensa 2000 beigelegt werden soll, erklärte EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock am Mittwoch. Ansonsten werde die EU-Kommission die Pläne stoppen. Ausländische Fluglinien könnten nicht gezwungen werden, den neuen Airport zu nutzen, zumnal die von der EU geförderten neuen Straßen- und Zugverbindungen dorthin noch gar nicht fertiggestellt sind. Malpensa liegt 50 Kilometer von der Stadt entfernt, der bislang genutzte Airport Linate nur acht.

Die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission ist der vorläufig letzte Höhepunkt eines beinahe beispiellosen Planungschaos, in dem der seit zehn Jahren geplante Flughafenneubau unterzugehen droht. Ausgerechnet in Mailand, dem „Deutschland Italiens“, wo man auf die Schlampereien Roms herabblickt, scheint das fast schon größenwahnsinnige Projekt über geradezu lächerliche Organisationsfehler zu stolpern.

Daß der Flughafen „versehentlich“ nicht ans internationale Schienennetz angebunden wurde, ja noch nicht einmal mit einer Stadtbahn versehen ist – sie soll frühestens 1999 fertig werden, Fernzüge werden erst ab 2002 rollen – ist dabei nur eines von unzähligen Beispielen grandiosen Mißmanagements. Aber ein sehr anschauliches, bei dem auch Kinnock bissig wird: „Malpensa 2000 ist ein wunderbarer großer Flughafen. Alles perfekt, herrlich auch der Bahnhof und die Metrostation. Schade nur, daß die Gleise dafür fehlen.“

Wenn am 25. Oktober tatsächlich alle bisher in Linate landenden Flugzeuge in Malpensa herabdonnern würden, sähen sich Flugpersonal und Passagiere zwar fertigen Hallen und Flugsteigen gegenüber. Aber das wäre es dann auch schon. Wie man die jährlich knapp 15 Millionen Fluggäste und die Millionen Tonnen Fracht dann weiter bewältigen und in die Stadt transportieren will, weiß niemand: Es fehlt nicht nur die Bahn, sondern auch eine entsprechende Schnellstraßenverbindung. Außerdem liegt der Hauptbahnhof Mailands auch noch auf der anderen Seite der Stadtmitte, so daß man entweder um Mailand herumfahren oder die Stadt fast ganz durchqueren muß. So weigern sich die meisten europäischen Fluggesellschaften, darunter auch die Lufthansa, Air France, British Airways und Swissair, den Umzug unter diesen Bedingungen mitzumachen. Und nach der gestrigen Entscheidung der EU-Kommission müssen sich die Flughafen-Verplaner nun etwas neues ausdenken. Eine Verzögerung bis ins nächste Jahr können sich die sowieso schon hochverschuldeten Bauträger nicht leisten.

Das Schlimme für Mailand: Auf Unterstützung kann es kaum rechnen. In Rom grinst die dortige Nomenklatura breit und schadenfroh – hatte sich Mailand doch angeschickt, der bisher unumstritten einträglichsten „Drehscheibe Südeuropas“ Rom den Rang abzulaufen: Von bisher vier Millionen Passagieren in Linate wollte Malpensa in nur zwei Jahren auf 28 Millionen kommen und sich damit von Platz 17 auf den fünften Rang der europäischen Luftkreuze nach London, Frankfurt, Paris und Amsterdam setzen.

Und selbst wenn die Mailänder in Brüssel mit einer echten Lösung auftrumpfen könnten, drohte ihnen noch ein weiteres Problem: Die benachbarte Schweiz – klug im Abwarten und schnell im Zuschlagen – will den nur 80 Kilometer von Mailand entfernten Flughafen Lugano ausbauen, der ausgezeichnete Zugverbindungen nach Mailand, Zürich, Genf und nach West- und Nordeuropa besitzt und direkt ans Autobahnnetz angeschlossen ist. Die Eidgenossen können dabei zwei enorme Vorteile geltend machen. Erstens: die Schweiz gehört nicht zur Europäischen Union und ist damit den Unions-Wettbewerbsbedingungen nicht unterworfen.

Und zweitens: Der Flughafen Lugano war in den letzten Jahren zusammen genommen nicht einmal fünf Tage wegen Nebels geschlossen. Malpensa dagegen muß jährlich mit mehr als 50 unbefliegbaren Tagen rechnen.