Spuren im Computernetz

■ Verkehrsregeln für die Datenautobahn: Wo bleibt der Datenschutz im Multimedia-Zeitalter? Von Marco Carini

Verdammt „altmodisch“ verlief die Podiumsdiskussion, die Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader Ende vergangener Woche im Gruner & Jahr-Verlagshaus zu moderieren hatte. Altmodisch, weil sich zur gleichen Zeit, im gleichen Raum rund 400 Personen versammelt hatten, um über das gleiche Thema – Datenschutz auf der Datenautobahn – zu diskutieren. Schrader prophetisch: „Das wird in Zukunft ganz anders aussehen“.

Schöne neue Medienwelt: Telebanking und Teleshopping per Computer, tagesaktuelle Nachrichten und Wohnungsanzeigen vom Schirm, weltweit elektronische Briefe versenden und Videos auf Abruf auf dem PC-Bildschirm schauen – die neuen „Online Dienste“ machen es möglich. Noch in diesem Jahr will auch das Bertelsmann-Imperium mit einem kommerziellen deutschsprachigen Dienst auf den Daten-Markt gehen. 300 Millionen Mark wollen die Bertelsmänner in den Aufbau ihres „AOL“-Dienstes allein in Europa investieren.

Doch das Multimedia-Zeitalter birgt „Risiken und Nebenwirkungen“ (Schrader). Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hatte schon im Sommer eindringlich vor datenschutzrechtlichen Problemen im Internet, dem mit 30 Millionen BenutzerInnen weltweit größten On-line-Dienst, gewarnt. Seine Kritik:

– Für die Gebührenabrechnung werden Art und Dauer der Nutzung jedes Teilnehmers „sekundengenau erfaßt“. Es kann festgestellt werden, wer wann welche Informationen abgerufen und wer mit wem elektronisch kommuniziert hat. Diese Datenspuren können ohne Wissen der Nutzer „zu individuellen Kommunikationsprofilen verdichtet“ werden – Informationen, die für die Werbewirtschaft, aber auch für Behörden – vom Finanzamt bis zur Polizei – interessant sein könnten. Auf der Strecke bliebe laut Schrader, „das Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation“. Schraders Lösungsvorschlag: Durch „anonyme Bezahlverfahren“, etwa mit einer Art aufladbaren Telefonkarte, könnte der persönliche Datenschutz gerettet werden.

– Internet wird zunehmend für geschäftliche Zwecke genutzt, bei denen personenbezogene und auch andere sensible Daten übertragen werden. Problem dabei: Die Nachrichten können von Unberechtigten leicht „abgehört“, aber auch verfälscht, unterdrückt und verzögert werden. Informationen, die in unzureichend gesicherten Rechnern gespeichert sind, können über den Online-Dienst von Computer-–Freaks ebenfalls ausspioniert, manipuliert oder gar gelöscht werden.

Für den Bremer Informatik-Professor Herbert Kubicek ist „massiver Druck vonnöten“, damit der Datenschutz in der Multimedia-Gesellschaft noch einen Fuß in die Tür bekommt. Die Telekom sei als Netzbetreiber an „detailierten Informationen über das NutzerInnen-Verhalten“ interessiert, eine in Zukunft vorstellbare Erledigung des behördlichen Schriftverkehrs über Computer – von der Anmeldung bis zur Steuererklärung – sei „mit dem Datenschutz schwer vereinbar“. Doch einem Höchstmaß an Datenschutz wollen die Online-Betreiber vorbeugen.

Bernd Schiphorst, Geschäftsführer der „Bertelsmann Online“, hält die Auseinandersetzung über die Datenschutz-Risiken der neuen Dienste deshalb auch für eine „typische Schrebergartendiskussion“. Da „wir international marktfähig bleiben müssen“, dürfe es für deutsche Online-Anbieter „keine gesetzlichen Benachteiligungen“ geben. Im Klartext: Für die grenzüberschreitenden „interaktiven Medien“ darf es entweder nur internationale, für alle Anbieter gültige Datenschutzvorschriften geben oder gar keine.

Ein Zuhörer machte es noch deutlicher: Die deutschen Datenschutzregeln müßten sich genau wie die deutschen Online-Dienste im internationalen Wettbewerb bewähren. Doch die Mißbrauchsfurcht sei in anderen Ländern weit weniger ausgeprägt als in Deutschland, daher stünden die Chancen dafür schlecht. Eine Beobachtung, die auch Eckart Haas von der „Gesellschaft für Digitales und Interaktives Fernsehen Hamburg“ gemacht hat.

Als er auf einer Londoner Diskussionsveranstaltung vor Internet-Nutzern die deutschen Datenschutzbedenken angesprochen und Nutzungseinschränkungen gefordert hatte, war er als „Faschist“ beschimpft worden. Einhelliger Tenor der englischen ZuhörInnenschaft: Wir lassen uns den Spaß an Computer-Kommunikation nicht von den Deutschen kaputtmachen.