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Mit Klebeband und Knebeln

■ Alternative Flughafenbegehung klärt über Abschiebe-Praxis auf

Geladen zur Diskussion waren zwar Lufthansa, Flughafen AG sowie Bundesgrenzschutz (BGS) und Polizei, gekommmen aber waren zur alternativen Flughafenbegehung am Samstag nur 40 MenschenrechtlerInnen. In der Abfertigungshalle „Terminal 4“ des Hamburger Flughafens protestierten sie gegen die rund 200 Abschiebungen, die hier jede Woche abgewickelt werden Motto: „Alle reden vom Krieg – Wir fliegen Sie hin. Ihre Innenminister, Flughafen- und Fluggesellschaften.“

Mit den Protesten sollte versucht werden, Crews der Airlines sowie Passagiere zum Widerstand zu bewegen: „Bei KLM und Lufthansa haben Flugkapitäne Abschiebungen verweigert und somit Menschenleben gerettet“, so Frank Eyssen vom „Büro für notwendige Einmischung“. Doch generell wollen die Gesellschaften nicht auf das Geschäft verzichten. Dabei gibt es in den Crews schon Unmut.

So faßte eine Stewardeß ihre Eindrücke in einem Bordbericht zusammen: „Der Passagier kam, gefesselt mit einem Ledergürtel, von drei Männern begleitet an Bord. Der Mann schrie und versuchte, seine Ausweisung zu verhindern.“ Dann sei es bei einem Gang zur Toilette zum Gerangel gekommen.

„Der Spiegel ging kaputt, der Deportee war im Gesicht und am Hinterkopf verletzt, dann wurde er mit Hilfe der zwei mitfliegenden BGS-Leute überwältigt. Es wurden ihm Handschellen angelegt, die Beine gefesselt, er wurde mit Klebestreifen zusammengeklebt, der ganze Oberkörper, auch der Mund. So wurde er wieder auf seinen Sitz verfrachtet. Es war schrecklich.“ Es sei schwer gewesen, die anderen Passagiere zu beruhigen. Ihr Fazit: „Für unser Image kann es nicht gut sein, für die Gäste ist es eine unzumutbare Belästigung und für die Crew eine unerträgliche Belastung.“

Um die „Rückführer“ (Amtsdeutsch) ruhig zu stellen, wendet der BGS nach Schilderungen von Flugbegleitern immer härtere Methoden an. So werde der Körper mit Klebeband umwickelt, um die Handschellen zu ersetzen. Eigens sei ein „Multi-Knebel“ konstruiert worden: Fünf dicke Wollsocken, verbunden mit einer Schnur, die von den BGS-Männern nach Belieben wie ein Zügel stramm gezogen werden kann. Derartige Knebelungen haben in den vergangenen zwölf Monaten bei Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen zu zwei Todesfällen geführt. Ein Schwarzafrikaner erstickte am Sockenknebel, eine Polin an einem anderen „Spezialknebel“. Kai von Appen

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