Kassenkonkurrenz ist eröffnet

■ Freie Auswahl der Krankenversicherung für – fast – alle

Krankenversicherte haben nun die Qual der Wahl. Ab Januar 1996 können Mitglieder von gesetzlichen Krankenversicherungen ihre Kasse frei wählen. Auch die aus Bismarcks Zeiten stammende Trennung von Arbeitern und Angestellten wird dann aufgehoben. ArbeiterInnen werden nicht mehr automatisch bei den Orts-, Betriebs- oder Innungskrankenkassen versichert.

Die Beitragssätze sind einkommensabhängig, werden jährlich neu festgelegt und vom Grundlohn abgezogen. Konnten Kassen mit selten kranken und gutverdienenden Mitgliedern bisher niedrigere Beitragssätze offerieren, so ist nun jede Kasse verpflichtet, auch Arbeitslose oder Kranke aufzunehmen. Die landeten bislang bei der AOK. Ein Grund, warum die Beitragssätze der AOK bundesweit bei 13,4 Prozent liegen (in HH bei 15,5 Prozent). Im Konkurrenzkampf hat die AOK deshalb einen schlechten Start. Doch auch die AOK will nun ihre Beiträge senken und ein Bonusprinzip einführen: Wer selten krank ist, bekommt Geld zurück.

Die Techniker Krankenkasse stand dagegen besser da: Menschen in technischen Berufen sind meistens männlich, gut bezahlt, selten krank und werden nicht schwanger. So bot die TKK niedrige Beiträge und ein großzügiges Bewilligungsverfahren bei Sonderleistungen. Kassen mit einer solchen Tradition haben auch in Zukunft Interesse, diese Mitgliederstruktur zu halten. Diese Kassen haben eher Sorge vor dem Ansturm als vor dem Untergang. Wechselten jetzt Heerscharen von Raumpflegerinnen in die TKK, wäre das Entsetzen vermutlich groß und die Beiträge würden steigen.

Ob die große Völkerwanderung einsetzt oder nicht: der Preisvergleich im Supermarkt der Kassen ist eröffnet. Wer ein Kassenschnäppchen machen will, muß künftig Preislisten studieren und Fristen einhalten. Trotzdem wird damit gerechnet und gehofft, daß Menschen ihrer Kasse treu bleiben. Zum einen, weil möglicherweise nur wenige die Preise vergleichen, zum anderen glauben viele Mitglieder irrtümlich, sie hätten größeren Anspruch auf Leistungen, wenn sie schon lange dabei sind. Wer allerdings privat versichert ist, kann auch nach der neuen Gesetzeslage nicht in die gesetzliche Krankenversicherung zurück. Alle anderen haben nun den entscheidenden Vorteil: Die Krankenkasse muß einen früher oder später ziehen lassen.

Christina Gottschall