Zustände wie in Mexiko

■ Senatoren für Justiz und Inneres einträchtig zur Organisierten Kriminalität: Es gibt keinen Anstieg und keinesfalls Entwarnung. Mehr Stellen bei Polizei und Staatsanwaltschaft

Berlin ist nicht nur nicht die Metropole des Verbrechens, schon mit etwas mehr Personal für Polizei und Staatsanwaltschaft könnten bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität auch noch größere Erfolge erzielt werden. Dies ist die Quintessenz der gestrigen ersten gemeinsamen Lagebild- Präsentation von Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) und Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Sowohl die Straftaten als auch die eingeleiteten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit „internationaler, grenzüberschreitender, gewerbsmäßiger Bandenkriminalität“ sind danach 1997 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. Eine „vorwiegend aus türkischen Staatsangehörigen bestehende schwerbewaffnete Tätergruppierung“ konnte „zerschlagen werden“. 450 Personen – 257 mehr als im Vorjahr – wurden durch Berliner Strafgerichte verurteilt. Anlaß zur Entwarnung sahen jedoch beide Senatoren übereinstimmend nicht.

Neben Geldwäsche und Kraftfahrzeugdiebstählen, „zunehmend Nutzfahrzeuge“ (Körting), beunruhigen Innensenator Schönbohm vor allem 965 Straftaten von Paß- und Urkundenfälschern sowie 2.000 Fälle von Schleusungskriminalität, zu denen Prostitution und Menschenhandel ebenso zu rechnen sind wie die Unterstützung von Flüchtlingen. Insgesamt, so Schönbohm, sei dem Land durch Organisierte Kriminalität ein Schaden in Höhe von 187 Millionen Mark zugefügt worden.

Aufgrund der Lage Berlins und des Wohlstandsgefälles zu Osteuropa ist der Anteil ausländischer Tatverdächtiger aus 45 Ländern mit einer Quote von 63 Prozent in der Stadt unverändert hoch. Justizsenator Körting verglich den Berliner Alltag mit dem einer „mexikanischen Grenzstadt“. Körting wies darauf hin, daß es sich bei ausländischen Straftätern in der Regel um Durchreisende handele, die die Anonymität der Großstadt nutzen.

Schönbohm erinnerte freundlich-zurückhaltend „mit Rücksichtnahme auf die bevorstehende Bundestagswahl“, daß „Passagen des Ausländerrechts“ zu diskutieren seien, über Zuwanderungsbegrenzung nachgedacht werden müsse und darüber, wie die, „die sich kriminell verhalten, ausgewiesen werden können“. Sonst gern in die Debatte geworfene Schlagworte wie Videoüberwachung, Lauschangriff oder Schleierfahndung vermied er jedoch.

Statt eines Schlagabtauschs über Versäumnisse folgte ein gemeinsames Fazit beider Senatoren: Die Beschäftigung mit der Organisierten Kriminalität werde fortwährend schwieriger und binde immer mehr Leute. Von den für die Polizei 106 zusätzlich erstrittenen Stellen werden sich daher laut Schönbohm etwa 50 künftig nur mit Fragen der „Abschöpfung krimineller Gewinne“ beschäftigen, auch die Staatsanwaltschaft rechnet mit 33 Kräften mehr. Die nötigen Mittel dafür müssen die Senatoren zwar in den eigenen Ressorts frei klopfen, doch nur so könnten „semilegale Strukturen“, wie sie in Italien und anderswo existierten, „auf Dauer verhindert“ werden, hieß es. Kathi Seefeld