Selbstbedienungsladen Sozialbehörde

■ Wie Uwe Riez und die HAB mit höchster Zustimmung die Kasse der BAGS plünderte

Der juristische und finanztechnische Dschungel des Haushalts- und Zuwendungsrechts ist kompliziert. Doch Uwe Riez, von 1991 bis 1995 Chef des städtischen Beschäftigungsträgers Hamburger Arbeit (HAB), fand sich – mit Rückendeckung durch SPD-SenatorInnen – bestens darin zurecht. Die HAB erhielt ständig mehr Geld von der Sozialbehörde (BAGS) als gesetzlich erlaubt oder vom Parlament gebilligt war.

Trick 1: Angebliche Liquiditätsnot

Geldsorgen? Sozialbehörde fragen! Mit „mehrfach behaupteten akuten Liquiditätsproblemen“ (*) holte sich die HAB regelmäßig Geld von der BAGS. Dabei „verfügte die HAB in den Jahren 1991-95 über einen deutlichen Zinssaldo (Zinsüberschüsse)“, der auf einen Kassenstand von „DM 1,1 Mio bis DM 2,5 Mio“ schließen läßt.

Trick 2: Verpflichtungsermächtigung

Es gibt Haushaltsmittel, die man ausgeben darf, und solche, die für das Folgejahr bestimmt sind, die sogenannten „Verpflichtungsermächtigungen“ (VE). Die HAB plante in ihren Wirtschaftsplänen die VEs jedoch ebenso ungeniert wie unzulässig immer fest mit ein. Das Ergebnis: „Fehlbedarfe wurden aus Mitteln des Folgejahrs gedeckt, wodurch das Problem quasi als Bugwelle von Jahr zu Jahr vor sich hergeschoben wurde.“

Trick 3: Doppelfinanzierung

Doppelt kassieren für eine Leistung? Die HAB weiß wie: Sie ist zwar eine GmbH, finanziert sich aber, weil städtisch und gemeinnützig, durch die sogenannte „Fehlbedarfsfinanzierung“. Ihre Verluste wurden durch „Zuwendungsbescheide“ ausgeglichen. Mit einem besonderen Trick ließ sich die HAB nun bestimmte Ausgaben zweimal bezahlen: Sie „aktivierte Eigenleistungen“ in ihrer Bilanz. Bereits von der Stadt bezahlte Kosten (zum Beispiel für Gebäudeinstandsetzung) tauchten so in der Bilanz plötzlich als Erhöhung des Anlagevermögens auf und wurden abgeschrieben. Durch diese rechnerische Abschreibung erhöhte sich der Fehlbedarf – die HAB kassierte zum zweiten Mal.

Trick 4: Illegale Rücklagenbildung

Obwohl die HAB wegen ihrer Fehlbedarfsfinanzierung eigentlich weder Verluste noch Gewinne machen kann, weil ihre Defizite (Fehlbeträge) immer ausgeglichen werden, hat sie Rücklagen gebildet, die Gewinne voraussetzen. Das gelang so: Für ihr Anlagevermögen nahm die HAB bilanztechnische Abschreibungen vor, produzierte also Buchverluste, die dann per Fehlbedarf wieder ausgeglichen wurden. Diese Extraeinnahmen wurden in einer speziellen Rücklage gebunkert und dienten der Aufstockung des Eigenkapitals. Dies war bis Ende 1996 nach der Landeshaushaltsordnung untersagt. Eine Ausnahmeregelung „wegen besonderer Interessenlage“ öffnete jedoch ein Hintertürchen. Dessen Benutzung war „allerdings nur mit Zustimmung der Finanzbehörde zulässig“. Doch ohne diese erforderliche Zustimmung der Finanzbehörde billigte am 12. September 1991 der HAB-Aufsichtsrat (Vorsitz: Sozialsenator Ortwin Runde) diese Praxis.

Erst gut zwei Jahre später, am 12. November 1993, fragte plötzlich die Wirtschaftsprüfabteilung der BAGS bei der Finanzbehörde nachträglich um Erlaubnis an. Die Finanzbehörde antwortete am 11. Januar 1994 mit einem unmißverständlichen Nein. Es könne nicht angehen, daß die Stadt hart spare („aufwachsendes Konsolidierungskonzept“), während Beschäftigungsträger „auf Sonderkonten Rückstellungen bilden“. Statt dessen müsse geprüft werden, ob „ausgewiesene Afa-Volumina (Abschreibungsbeträge) nicht auch zur Verringerung des Zuschußbedarfs herangezogen werden sollten“. HAB und BAGS kümmerte dieses Nein wenig. Die HAB verfügt heute über Rückstellungen von mehreren Millionen Mark.

Trick 5: Deckungskreis 01

Weil all dies nicht reichte, mußte auch noch in des Nachbars Taschen gegriffen werden: 1994 waren – auch auf Drängen der GAL – ein Gutteil der arbeitsmarktpolitischen Mittel als „Sonderprogramm für Arbeitsbeschaffung“ im sogenannten Deckungskreis 01 (DK01) zusammengefaßt worden, um insbesondere den nichtstaatlichen Trägern flexibler Geld für Projekte zukommen lassen zu können. Profitiert hat aber vor allem die HAB, deren Finanz-Probleme ab 1995 erheblich wuchsen, als sich das Ende der Bilanztricks abzeichnete: Die „Abweichung zwischen Wirtschaftsplan (der HAB) und verfügbaren Haushaltsmitteln“ ergab ungedeckte Mehrbedarfe. Doch da half dann DK01: „Zum Teil konnten die Mehrbedarfe durch Inanspruchnahme anderer Mittel aus dem DK01 ausgeglichen werden.“ Schon für dieses „zum Teil“ flossen überaus beträchtliche Summen: 2,9 Millionen Mark 1995 und sogar 3,6 Millionen Mark 1996.

Florian Marten

* Alle Zitate aus dem Prüfbericht der BAGS-Arbeitsgruppe HAB vom 1. Juli 1998