Und Geschichte wiederholt sich doch

■ Werder Bremen gibt beim 2:2 gegen Leverkusen ein altbekanntes Theaterstück

Bremen (taz) – Geschichte, das wußte schon der schlaue Karl Marx, wiederholt sich entweder als Farce oder als Tragödie. Dumm nur, daß es manchmal so schwer zu entscheiden ist, welche der beiden Varianten gerade gegeben wird. Ein kleiner Blick auf die fußballerischen Bemühungen von Werder Bremen läßt ahnen: Es geht beides, und zwar gleichzeitig, und zwar jedes Jahr aufs neue.

Vier Spieltage sind um, Werder hat noch kein einziges Spiel gewonnen und steht auf dem letzten Platz. In der vergangenen Saison sah es am dritten Spieltag genauso aus. Am Samstag gegen Leverkusen hätte unbedingt der erste Sieg beigebracht werden müssen. So sah es auch letzte Saison gegen 1860 München aus. Diesmal liegen die Bremer erst zurück, erreichen aber mit Mühe, Glück und ein bisserl Geschick die Führung. So war's auch letzte Saison. Und in der 90. Minute kriegen sie dann noch einen eingeschenkt. Letztes Jahr war's der drüsenfiebrige Olaf Bodden, der in der vorletzten Sekunde eingewechselt wurde, um in der allerletzten das 3:3 für die 60er einzuschädeln. In der Wiederaufführung hat der Leverkusener Paulo Rink irgendwo aus dem Nirgendwo ein Schüßchen abgegeben, das Werder-Keeper Frank Rost ins Tor rutschen ließ: 2:2.

In der letzten Saison war der dritte Spieltag der letzte von Trainer Dixie Dörner. In dieser vermelden die Wettbüros, daß Dörner-Nachfolger Wolfgang Sidka auf der Abschußliste ganz oben steht. Werder ist genau an dem Punkt angelangt, an dem der Verein im letzten Jahr schon war. Und im vorletzten auch. Eine sichtlich verunsicherte Mannschaft spielt unter ihren Möglichkeiten, steht in der Tabelle unterhalb der Erwartungen, eine taktische Handschrift des Trainers ist nicht zu erkennen und das Verhältnis der Kicker zum Übungsleiter gestört.

Zum dritten Mal steht das Werder-Präsidium vor der bitteren Erkenntnis, in der Trainerfrage eher eine suboptimale Lösung gefunden zu haben – und will diesen Schluß aber wieder einmal partout nicht ziehen. Und zum dritten Mal hebt unter den Werder-Fans ein galliges Grummeln an. Die grün- weiße Internet-Homepage ist voller wüster Beschimpfungen.

Es riecht schon nach Tragödie, noch aber kommt die Farce zur Aufführung. Mit Sachen zum Lachen. Zum Beispiel: Havard Flo, glücklosester aller glücklosen Stürmer, im Notenspiegel der gebenedeiten Fachblattkollegen des kicker schlechtester Ligaspieler überhaupt, durfte sich am Samstag als blitzumgeschulter Manndecker versuchen. Aber, um gerecht zu sein: So schlecht hat er die neue Aufgabe gar nicht gemeistert. Und so schlecht haben die Bremer gegen Leverkusen auch gar nicht gespielt. Immerhin kamen die Ex- Champions-League-Teilnehmer so wenig dazu, ihr Kombinationsspiel aufzuziehen, daß Trainer Christoph Daum hernach nur maulte, das sei „die schlechteste Saisonleistung“ gewesen: „Da ist jeder weitere Kommentar zu viel.“

Immerhin haben sich die Bremer in der ersten Halbzeit genügend Klassechancen für drei, vier Tore herausgearbeitet. Immerhin haben sie den Rückstand nach einem dubiosen Elfmeter weggesteckt und das Spiel mit einem Strafstoß und einem herrlichen Kontertor noch einmal umgebogen. Bloß: Derlei unerwartete Energieleistungen kennt das gemeine Bremer Publikum schon. Dixie Dörners Demission galt vor dem letzten Spieltag 96/97 als beschlossene Sache, da gewann Werder bei den 60ern mit 3:0 – um dann aber wieder in die alte Lethargie zu verfallen. Alles schon gehabt, alles schon gesehen.

Der weitere Fortgang der Bremer Geschichte entscheidet sich ganz schnell. Am Dienstag feiert die Mannschaft bei den Norwegern von Brann Bergen den ersten Uefa-Cup-Einsatz seit drei Jahren, danach geht's zu Ligaspiel Nummer fünf nach Wolfsburg und dann im DFB-Pokal gegen Hansa Rostock. Tragödie, Farce? Je nach Gusto. Jochen Grabler

Leverkusen: Matysek – Lottner (67. Nico Kovac) – Robert Kovac, Happe – Reeb (46. Lehnhoff), Ramelow (67. Heintze), Emerson, Beinlich, Zé Roberto – Rink, Kirsten

Zuschauer: 27.379, Tore: 0:1 Kirsten (43./Foulelfmeter), 1:1 Roembiak (51./Foulelfmeter), 2:1 Frings (59.), 2:2 Rink (90.)

SV Werder Bremen: Rost – Trares – Flo, Benken – Roembiak (86. Dabrowski), Frey, Eilts, Maximow, Skripnik (77. Wiedener) – Frings (69. Flock), Bode