■ Berliner Verfassungsschutz kann seinen V-Mann nicht fallenlassen
: Fürsorge braucht auch der Stasi-Mann

Die Affäre um einen ehemaligen Stasi-Spitzel im Dienste des Berliner Verfassungsschutzes kann für den Steuerzahler teuer werden. Die Innenverwaltung, heißt es jetzt, habe eine Million Mark für eine neue Legende und einen neuen Wohnort des V-Mannes veranschlagt. Reichlich Geld für eine Quelle, die schon die Staatssicherheit der DDR wegen ihres kriminellen Vorlebens – fünf Vorstrafen – für dubios hielt und abschaltete. Gleichgültig, wie hoch die Summe am Ende ausfällt, an ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem V-Mann wird die Innenverwaltung nicht vorbeikommen. Wer Quellen anwirbt, muß eben auch für sie geradestehen, wenn sie sich als Ausfaller entpuppen.

Darin hat das Landesamt im übrigen reichlich Erfahrung. Zwei V-Männer aus der linksradikalen Szene Westberlins wurden, finanziell gut ausgestattet, in den siebziger Jahren nach ihrer Enttarnung ins Ausland abgeschoben. Gegen einen der beiden, Volker Weingraber, hat das Land Berlin in Italien ein Verfahren angestrengt. Der frühere V-Mann soll widerrechtlich 450.000 Mark zum Ausbau seines Weingutes in der Toskana verwandt haben.

Das eigentliche Problem der jüngsten Affäre sind aber weniger die finanziellen Konsequenzen aus der Panne, sondern ist die Doppelmoral der Berliner CDU. Sie wurde in der Vergangenheit nicht müde, wenn es darum ging, eine vermutete oder tatsächliche Stasi-Tätigkeit beim politischen Gegner mit moralischer Verve zu verurteilen. Als Zielscheibe diente Teilen der Partei insbesondere die mutmaßliche Stasi- Tätigkeit des brandenburgischen Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD).

Ehemalige Bürgerrechtler, die in die CDU eintraten, sollten der Partei moralische Schützenhilfe leisten. Doch seitdem die Affäre des Verfassungschutzes vor zwei Wochen ruchbar wurde, herrscht tiefes Schweigen. Die Moralwächter in der Berliner Union zeigen sich irritiert bis zur Sprachlosigkeit. Der Innensenator flüchtet sich in technokratische Nützlichkeitskriterien. Die Anwerbung von Stasi-Quellen gehöre eben zur „Geschäftsgrundlage eines erfolgreich tätigen Nachrichtendienstes“, verteidigte sich Innensenator Jörg Schönbohm. Wer sich darüber empöre, „heuchelt oder verkennt die Realitäten“.

Der Vorwurf fällt auf Schönbohms eigene Partei zurück. Sie ist in einem objektiven Erklärungsnotstand. Ein Stasi-Spitzel – zumal einer, der sogar die Bespitzelung seines Sohnes anbot – wird nicht dadurch geadelt, indem er als Informant des Verfassungsschutzes zum vermeintlichen Schutz des Grundgesetzes beiträgt. Severin Weiland