Deutsche Börse besiegelt Spekulantenallianz

■ Frankfurter Börse und die Terminbörse Chicago vernetzen ihr Computerhandelssystem

Hamburg (taz) – Nicht allein Kanzler Kohl, sondern auch der Finanzplatz Deutschland ist mittlerweile „weltklasse“. Sein Nervenzentrum, die Deutsche Börse AG in Frankfurt am Main, ist auf dem Weg zum Weltmarktführer. Jedenfalls meint dies die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Von „neuen Umsatzrekorden“ ist da die Rede und bereits von einer Führungsrolle der Frankfurter auf dem europäischen Markt, insbesondere bei Termingeschäften. „Sie erntet damit die Früchte ihrer agressiven Marketingstrategie“, schreiben die Analysten von der BIZ in ihrem Quartalsbericht. Am Freitag besiegelten die beiden führenden Terminbörsen der Welt, die deutsch- schweizerische Eurex – faktisch ein Tochterunternehmen der Deutschen Börse – und der Chicago Board of Trade (CBOT) ihre Allianz. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung eines elektronischen Handelssystems, das die beiden Börsen alsbald miteinander vernetzen soll.

Die Basler Oberbanker der BIZ, die als Sprachrohr der europäischen Großbanken gilt, sehen allerdings die Börsen in Europa einem starken Wettbewerb ausgesetzt. „Der Kampf um Marktanteile vor der Einführung der Währungsunion nahm eine dramatische Wende.“ So mußten Klassiker wie die Pariser Terminbörse Matif im April Abschied nehmen vom traditionellen Gewusel Hunderter Makler und Händler auf dem Börsenparkett. Der Handel wurde auf Computer und Elektronik umgeleitet. Ohnehin hat sich der Kampf um Führungspositionen von der Einführung neuer Kontrakte zunehmend auf die technologische Ebene verlagert. Von dieser massiven Expansion des Bildschirmhandels „profitieren eine kleine Zahl von Zentren“, schreibt die BIZ. Sie erwartet wegen des technologischen Wandels einen verstärkten Trend zu Kooperationen und Konzentration. Zugleich würden die staatlichen Aufsichtsbehörden vor „neue Herausforderungen“ gestellt, wenn sie die Solidität solcher Systeme sicherstellen wollen.

Der Hauptprofiteur scheint die Deutsche Börse AG in Frankfurt zu werden. Ihr elektronisches Handelssystem Xetra fand nicht nur Eingang in die abendliche „Tagesschau“ des deutschen Fernsehens sondern internationalisiert auch in viele Banken und Börsen Europas. Zur agressiven Erfolgsstrategie gehört aber auch das Aufstellen von Handelsbildschirmen in Chicago oder London, also mitten im Finanzherzen der Konkurrenz. Im Sommer wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der US-Computerbörse Nasdaq gebildet, dem Konkurrenten der Leitbörse an der New Yorker Wall Street. Diese Kooperation könnte insbesondere auf das Internet zielen.

London, der frühere Platzhirsch auf dem europäischen Börsenparkett, hat inzwischen wohl resigniert und suchte den Schulterschluß mit Frankfurt. Börsenbeobachter fanden dies „revolutionär“. Die Londoner Datenverarbeitung gilt als altbacken und antiquirt. Nicht viel anders steht es um einige nordamerikanische Spekulantentempel. Aufgrund der Größe, regionalen Lage und der Abschottung gegenüber europäischen Konzernen, die eine Börsennotierung wünschen, stellen die USA immer noch eine Finanzinsel dar. Da deren Lebensgeister allerdings auch von Kapital aus Europa und Japan wachgehalten wird, können sich die Amerikaner der Globalisierung der Finanzmärkte nicht entziehen.

Es ist abzusehen, daß elektronische Handelsnetze auch bei ihnen bald eine größere Rolle spielen. Beispielsweise hatte das CBOT kürzlich schon Pläne erstellen lassen, um eventuell vollständig auf einen elektronischen Handel überzugehen. Diese Altpläne dürfen nun in den Reißwolf. Die Kooperation mit Eurex sichert den Chicago-Boys das Know-how des globalen Technologieführers Deutsche Börse. Hermannus Pfeiffer