Bayernwahlen: Unvergleichlich, aber doch mit Folgen

■ Demoskopen und Parteienforscher schätzen die Konsequenzen aus dem bayerischen Wahlergebnis für den Bund unterschiedlich ein, warnen aber die SPD vor Selbstzufriedenheit

Für den Göttinger Parteienforscher Peter Lösche ist die Bayernwahl kaum tauglich, um Prognosen für den Ausgang der Bundestagswahl anzustellen. Die bayerische SPD sei schließlich organisatorisch in einer „katastrophalen Situation“, denn nur in 60 Prozent des Freistaates sei sie überhaupt mit Ortsvereinen vertreten. Trotz dieser Spezifika warnte Lösche aber die SPD davor, das Bayernergebnis kleinzureden.

Aus den Äußerungen des SPD- Bundesgeschäftsführers Franz Müntefering hat Lösche den Eindruck gewonnen, die Partei folge dem Motto: „Bloß nichts ändern“. Die SPD müsse aber aufpassen, „nicht zum Gefangenen ihres vor Wochen geschriebenen Wahlkampfdrehbuches zu werden“, so Lösche zur taz. Mehr denn je komme es für die Partei jetzt darauf an, ihre Stammwähler zu mobilisieren. „Man muß, aus Sicht der SPD-Wahlkampfzentrale, schnell reagieren.“ Wäre er in der Bonner Zentrale, würde er verstärkt Gewerkschafter ansprechen, auch „neuen Wirbel“ mit den designierten SPD-Ministern Walter Riester (Arbeit), Jost Stollmann (Wirtschaft) sowie dem Kulturbeauftragten Naumann machen.

Ob die SPD an Bayern Schaden nehmen wird, ließen die professionellen Institute gestern offen. Ihr Grundtenor war zurückhaltend. Die spezifischen Strukturen Bayerns, so die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, ließen nur bedingt Rückschlüsse auf das Ergebnis bei der Bundestagswahl in zwei Wochen zu. Dies werde besonders bei der Beurteilung der CSU auf Landes- und Bundesebene deutlich. Während laut Forschungsgruppe Wahlen die CSU- Staatsregierung bei der Leistungsbeurteilung mit 1,6 Punkten einen sehr guten Wert erhielt, wurde die Rolle der Partei in der Bundesregierung nur mit 0,9 eingestuft. Noch deutlicher seien die Unterschiede in der Betrachtung der CSU-Spitzen: Ministerpräsident Edmund Stoiber wurde bei den Umfragen bei 2,3 Punkten mit einem außerordentlich guten Wert benotet, Bundesfinanzminister und CSU-Chef Theo Waigel bekam hingegen nur 0,2 Punkte ab.

Dennoch glaubt die Forschungsgruppe, daß die Bayernwahl die Mobilisierungschancen der Union bundesweit verbessern wird. Allerdings, so ihre Einschränkung, seien nach wie vor 30 Prozent der bayerischen Wähler unentschlossen, für wen sie sich am 27. September entscheiden werden. Ähnlich analysiert das Berliner Institut Infratest-dimap die Auswirkungen. Bayern sei keine Testwahl für Bonn gewesen, eine Wirkung könne aber sehr wohl von ihr ausgehen. Stoiber sei es gelungen, die Union aus ihrem Stimmungstief herauszuholen.

Allerdings warnt auch Infratestdimap die Union vor allzugroßen Hoffnungen. Ihrer Analyse zufolge sind 67 Prozent der Bayern mit der Bundespolitik unzufrieden. Für Bundeskanzler Kohl wolle nur jeder dritte Befragte stimmen, für Schröder aber jeder zweite.

Allein das Allensbach-Institut sieht sich durch Bayern in ihren – unter Fachleuten umstrittenen – Umfrageergebnissen bestätigt. Diese hatten über die letzten Wochen einen leichten Zuwachs für die Union und schleichende Verluste für die SPD verzeichnet. „Es bleibt spannend“, meinte Allensbach-Sprecher Edgar Piel gestern zur taz. Bayern sei für die SPD auch ein „Selbsttest“ gewesen. Er habe gezeigt, daß es nicht reiche, „daß Schröder auftaucht und sich das in Stimmen ummünzt“. Es bleibe aber abzuwarten, ob sich Bayern „psychologisch günstig für die bürgerlichen Parteien auswirkt“.

Der Berliner Wahlforscher Richard Stöss sieht hingegen den Schlüssel für einen SPD-Wahlerfolg im Osten. Und dort, glaubt Stöss, würden die bayerischen Ergebnisse „vermutlich kaum das Wahlverhalten der Wähler beeinflussen“. Hier gebe es „manche Gründe“, mit Kohl unzufrieden zu sein. Severin Weiland