■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Van-Morrison-Kongreß in Manchester
: Memorabilia und Karaoke

Das Fanzine Wavelength hatte gerufen, rund 150 Menschen sind dem Ruf gefolgt. Sie sind am letzten Wochenende aus ganz Europa, den USA und Australien in „Sachas Hotel“ in Manchester geströmt, um zwei Tage lang ihr Idol zu feiern: Van Morrison. Es ist der erste Fan-Kongreß dieser Art, und die Teilnehmerschar ist bunt durchmischt: Der Student, der Manager, der Journalist und die Hotelangestellte sitzen am gleichen Tisch. Gemeinsam ist diesen Menschen allein ihre entschieden abnormale und durchaus wunderliche Begeisterung für Van The Man.

Da ist zum Beispiel Alex, der gerade aus Belfast kommt, wo er zu Vans Geburtshaus gepilgert ist. Nicht, daß es in der Hyndford Street Nummer 125 etwas Besonderes zu sehen gäbe. Ein stinknormales Reihenhaus halt. Trotzdem ist es Alex kalt den Rücken heruntergelaufen. Kerrie war auch schon an diesem heiligen Ort. Zum Beweis führt sie ein Video vor, in dem sie mit ehrfürchtigem Blick die zugeparkte Seitenstraße rauf und runter geht. Dann reicht Kerrie ihr dickes Fotoalbum herum. Gleich auf der ersten Seite ein Schnappschuß, der sie neben ihrem zerknitterten Helden zeigt. Neidisches Gemurmel der Umstehenden. Als Kerrie dann auch noch den Ärmel hochrollt und eine Van-Tätowierung offenbart, ist klar, wer in der Runde der Super-Fan ist.

Die Super-Fans sind auch beim nachfolgenden Van-Morrison- Quiz im Vorteil, bei der Karaoke- Session sowieso. Als erster wagt sich ein Engländer namens Paul ans Mikro, der Vans Gesang nicht nur gut nachmachen kann, sondern auch so ähnlich aussieht wie er: klein, dick, kahl. Könnte es sein, daß Vans voluminöser Resonanzkörper für seine phänomenale Stimme verantwortlich ist? Kaum gefaßt, wird dieser interessante Gedanke widerlegt: Auch der hagere Holländer, der sich nach dem dicken Paul ans Mikro wagt, hat seinen Van drauf. Später kommen dann die Freunde eines ungehobelteren Karaoke-Stils zum Zuge. Der Abend geht mit enthemmtem „Gloria“-Gegröhle und also recht zufriedenstellend zu Ende.

Am nächsten Morgen wird ein recht übersichtlicher Van-Morrison-Flohmarkt eröffnet: fünf Stände mit allerlei Memorabilia, zum Beispiel einem abstrakten Ölgemälde und einigen Zeichnungen, die Van in messianischen Posen zeigen.

Interessanter ist da der Vortrag von Mick Cox, eines ehemaligen Gitarristen und Jugendfreundes von Van. Der kennt Van persönlich! Und er redet sogar darüber! Gebannt hängt die Gemeinde an seinen Lippen. Cox bestätigt alle Gerüchte über Vans legendäre Muffeligkeit. Manchmal ist er nett, meist jedoch eher schroff, unhöflich und sehr, sehr launisch. Wer heute mit ihm Brüderschaft trinkt, sollte sich nicht wundern, wenn ihm morgen „Fuck off“ entgegenschallt.

Am Abend gibt's dann endlich Live-Musik. Aus der holländischen Provinz ist die Double Axe Band nach Manchester gekommen, die ausschließlich Van-Morrison-Coverversionen spielt. Anfangs sind die Fans reserviert – Van nachspielen, welch ein Sakrileg! – doch nur wenig später formiert sich zu „Checking It Out“ eine Polonäse, und bei „Caravan“ tanzen die ersten Damen auf den Tischen.

Während der dritten Zugabe fordert der Sänger das Publikum schließlich auf, sich vorzustellen, daß nicht er, der Holländer, sondern Van Morrison selbst auf der Bühne stünde. Er deutet auf seinen Mikrofonständer, den er auf die Höhe von 1,20 Meter abgesenkt hat. „That's Van!“ Dann fällt er vor dem Mikroständer auf die Knie, faltet die Hände und ruft „Thank you, Van!“ Aus der enthusiasmierten Menge schallt es zurück: „Thank you, Van.“ Der würdige Abschluß einer gelungenen Veranstaltung. Johannes Waechter