Ein großer Vogel ließ einen Haufen fallen

Ansbach hat Geburtstag, aber der Mundartsänger Hans Söllner darf nicht mitfeiern. Denn er trägt Rastalocken und beleidigt gerne den bayerischen Innenminister. Das will der SPD-Bürgermeister nicht auf dem CSU-Mann sitzenlassen. Der Bardenkrieg tobt  ■ Von Michael Neubauer

Ansbach ist schön, seine Wiesen, seine Wälder. 1.250 Jahre wird das mittelfränkische Städtchen alt, da wollte man feiern in Bayern, mit dem Volkssänger Hans Söllner. Die Stadt lud den Rastaman mit bayerischer Gosch'n ein, um vor allem der Jugend eine Freude zu bereiten. Doch im Rathaus hört man wohl lieber Marianne und Michael, denn sonst hätte Oberbürgermeister Ralf Felber rechtzeitig Söllner-Alarm gegeben.

Der 42jährige Söllner aus Bad Reichenhall läßt gerne mal die Sau raus. Grölerei erlauben die Bayern zwar gerne, schließlich gibt es das Oktoberfest. Doch der Marihuanafreund benutzt seine Konzerte auch zu verbalen Rundumschlägen unterhalb aller Gürtellinien. Buchstäblich. Im Sommer zog er sogar seine Hose runter, um mit seinen Backen die Polizei zu grüßen. Oder er erzählt von einem großen Vogel, der „ließ einen Haufen fallen, und aus diesem Haufen kam ein Beckstein“.

Günther Beckstein ist der bayerische Innenminister. Dieser Sänger kann nicht wahr sein, dachte sich dieser daraufhin sicher und begann wohl von einer Söllner-Bannmeile für ganz Bayern zu träumen. Denn Polizisten des Landeskriminalamtes besuchten die Konzerte des Vulgärbarden und zückten ihre Hefte und Pelikan-Füller. Und sie schrieben auf. Beispielsweise, daß er die bayerische SPD- Chefin Renate Schmidt eine „fette, dumme, unfähige Blondine“ und eine Richterin „alte Fotze“ nannte. Mit diesen Einträgen werden bayerische Bürgermeister jetzt über das wahre Wesen des Söllnertums informiert. Ohnehin laufen gegen Hans Söllner Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Aufrufs zum Drogenkonsum.

Mainburg verlangt einen Bravheitseid

„Das alles könnte man auch anspruchsvoller sagen“, sagt selbst Söllners Anwalt Jürgen Arnold, der ihn seit Jahren erfolgreich durch die Instanzen bringt. Das politische und rechtlich zwielichtige Spektakel der Franken hätte er aber dann doch nicht erwartet. Er vermutet, daß das bayerische Innenministerium auf die Rathäuser Druck ausübt: „Die Polizei hält den Bürgermeistern der Aufführungsorte einen juristischen Erlaß von Günther Beckstein vor die Nase.“ Selbst gesehen hat er das Schreiben aber noch nicht.

Inzwischen sagte die Stadt Simbach dem Sänger ab, während Mainburg eine Erklärung verlangt, daß er sich an die Gesetze halte. Und in Ansbach ist seitdem ganz schön was los. Des Oberbürgermeisters Satz „Was Herr Söllner von sich gibt, hat nichts mit Kultur, sondern eher mit Krankheit zu tun“ ist das Jodeln auf Söllners Lederhosentanz – ein „Jetzt red i“ des SPD-Mannes, das vor allem bei der CSU viel Zustimmung erntet.

Einigen Stadträten aber wurde klar, daß fortgesetztes Fingerhakeln selbst in Bayern keine Lösung mehr ist. Sie erklärten inzwischen, daß Felber zu weit geht. Die Ansbacher Jusos sprechen von „entwürdigendem Schauspiel“, die FDP von „politischer Zensur in reinster Form“, die Fränkische Landeszeitung bekommt so viele Leserbriefe wie noch nie.

Der Oberbürgermeister ging nun in die Offensive. Auf Stadtkosten verschickte er 13.000 Briefe an Ansbacher Haushalte, in denen er ohne Quellenverweis die Konzertnotizen der Polizei veröffentlichte. Privaten Veranstaltern wurde vom Ansbacher Oberrechtsrat die Streichung öffentlicher Mittel angedroht, wenn sie Söllner in ihren Räumen auftreten lassen. Mit Kultur hat der Ansbacher Musikantenstadel nichts mehr zu tun: Die Polizisten haben Söllners Beleidigungen wie auch ganze Textpassagen ins Hochdeutsche übersetzt, was heißt: entfremdet und aus dem Zusammenhang gerissen.

Anwalt Arnold hält das alles für Wahlkampf. Einige Ansbacher auch, wobei sie sich fragen, für welche Partei. Felbers gute Kontakte zum CSU-Innenminister Beckstein, dem Hüter des Nachbarwahlkreises, sind schließlich augenfällig. Und Freude bereitet der Oberbürgermeister mit seinem Söllner-Verbot nicht nur den Vertretern der Landes-, sondern auch der Bundesregierung: Bundesminister Carl-Dieter Spranger (CSU), ursprünglich Ansbacher Stadtrat, wird mit Felbers Pochen auf Recht und Ordnung sehr zufrieden sein.

Hans Söllner schweigt dazu. Früher sagte er: „Bevor ich das Maul halte, muß schon verdammt viel passieren. Ein demokratischer Staat muß es verkraften, daß über seine Politiker hergezogen wird.“ Immerhin, am Donnerstag wollen sich Künstler, darunter Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt, öffentlich auf die Seite der Persona non grata stellen.