Sali Berisha hält die Meute im Zaum

■ In Albaniens Hauptstadt Tirana demonstrieren Anhänger des Exstaatschefs friedlich gegen die Regierung. Finanzminister tritt zurück. Außenminister von Deutschland und Italien fordern neue internationale

Tirana (rtr/AP/dpa) – Nach zweitägigen schweren Unruhen in Albanien ist gestern eine Demonstration der Opposition in der Hauptstadt Tirana überraschend friedlich verlaufen. Die Polizei griff trotz massiver Präsenz nicht ein. Der Chef der Demokratischen Partei und Exstaatspräsident, Sali Berisha, stand an der Spitze des Protestzuges durch die Innenstadt zum Gedenken an seinen Parteifreund Azem Hajdari, der am Samstag ermordet worden war.

Die rund 1.000 Anhänger der Demokratischen Partei hielten sich gestern an Berishas Aufruf, bei der Demonstration friedlich zu bleiben und schweigend zum Gedenken an Hajdari zum Skanderbeg-Platz in der Innenstadt zu ziehen. Auf einer anschließenden Kundgebung vor der Parteizentrale bezeichnete Berisha den sozialistischen Ministerpräsidenten Fatos Nano erneut als Terroristen. Die Menge antwortete mit regierungsfeindlichen Parolen. Für heute rief Berisha zu einer weiteren Kundgebung gegen die Regierung auf.

Innenminister Perikli Teta hatte am Dienstag morgen die Demonstration verboten. Die Polizei sei angewiesen worden, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Kundgebung zu verhindern, sagte der Minister im staatlichen Fernsehen. Bei den Ausschreitungen in den vergangenen Tagen habe es viele Opfer und Verletzte gegeben, sagte er weiter, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Ministerpräsident Fatos Nano hat die Opposition aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Wenn das geschehen sei, werde er die Unversehrtheit aller garantieren, die ihn zu stürzen versucht hätten, sagte Nano im Fernsehen. Namentlich nannte er den Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Ex-Präsident Sali Berisha. Berisha dürfe nicht glauben, daß die Regierung endlos warten werde, daß die Waffen aus der Parteizentrale der Demokraten geschafft würden, warnte der Sozialist Nano. Es war seine erste Rede seit dem Ausbruch der Unruhen am Sonntag.

Die Behörden hoben gestern die Einkommen der Polizisten um bis zu 100 Prozent an. Damit solle ihre Motivation im Kampf gegen die Kriminalität verbessert werden, hieß es zur Begründung.

Am Morgen hatte Finanzminister Arben Mamaj seinen Rücktritt erklärt. Er verfüge nicht mehr über die notwendige Unterstützung, sagte Malaj nach Meldung eines privaten Radiosenders, ohne weitere Details zu nennen. Eine Umbesetzung weiterer Regierungsämter wurde noch für gestern in Aussicht gestellt.

Unterdessen sprachen sich die Außenminister Deutschlands und Italiens, Klaus Kinkel und Lamberto Dini, angesichts der Zuspitzung der Lage in Albanien für eine neue „internationale Polizeimission“ aus. In einem Brief an den österreichischen EU-Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel forderten sie allgemein ein verstärktes Engagement der Europäischen Union zur Stabilisierung der Lage in Albanien. Die beiden Außenminister betonten, die Bemühungen Tiranas um politische und wirtschaftliche Stabilisierung seien wegen der allgemeinen Entwicklung auf dem Balkan und besonders im jugoslawischen Kosovo zunehmend gefährdet. Deshalb müsse die Staatengemeinschaft – besonders die EU als Nachbarregion – ihre Hilfe für Albanien verstärken.