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Geschichten am Klavier erzählen

Die eigene Biographie zu frisieren gehört zum guten Ton im Showgeschäft. Auch der Liedermacher Manfred Maurenbrecher hat da keine Scheu. Wo aber Maurenbrecher draufsteht, ist auch welcher drin  ■ Von Thomas Winkler

Sein Name steht ganz brav auf dem Klingelschild der Wohnung in einem recht gutbürgerlichen Quartier im Süden des Westens von Berlin. Und wie er da so geschrieben steht, der Name „Maurenbrecher“, sieht er doch irgendwie komisch aus.

Der Mann heißt wirklich so, aber ab und an doktert Manfred Maurenbrecher gern ein wenig an seiner Biographie herum. So hat er schon einmal herbeiphantasiert, er sei als 15jähriger in die Havel gesprungen und anschließend wegen Grenzverletzung von der DDR- Polizei aus dem Wasser gefischt worden. Das hat er sich dann auch so ins Infoblatt der Plattenfirma geschrieben. Maurenbrecher war auch nie Holzfäller in Kanada, wie es oft kolportiert wird, denn eigentlich „bin ich nicht kräftig genug“. Das Erfinden von Biographien ist in vielen Generationen ein beliebter Sport. Einige haben sich sogar einen neuen, passenderen Namen gegeben, ob nun Bob Dylan oder Lea Rosh. Das aber hatte Manfred Maurenbrecher nie nötig, sein Name klingt noch heute – nach mehr als 20 Jahren auf der Bühne – wie aus dem Künstlerhirn entsprungen. Es ist ein Spiel, das er treibt. Denn „wenn man in der Öffentlichkeit steht, dann sollen sich Phantasien darum bilden. Und dann ist es auch in Ordnung, wenn man sich was ausdenkt.“

Inzwischen ist Maurenbrecher 48 Jahre alt und meint, „auch in den Songs wird ein solches Spiel getrieben“. Er schlüpfe in andere Charaktere und da sei es doch klar, daß er auf der Bühne eine andere Gestalt annehme. Die Rollen, die Maurenbrecher einnimmt, sind allerdings ein wenig eingeschränkt. So klein gewachsen, mit dem zotteligen Bart und dem tiefen und nölenden Organ ist er dann doch meistens Maurenbrecher. Maurenbrecher, der mal sanfte, mal eher böse Kritiker der herrschenden Zustände, oder halt mal Maurenbrecher, der einen Traum träumt, in dem die herrschenden Zustände eben nicht mehr herrschen.

Aber meist guckt er den Menschen zu, was die so reden und was sie tun und ob das zusammenpaßt oder nicht. Er selber nennt sich am liebsten „Geschichtenerzähler am Klavier“, was wohl vor allem bedeuten soll, daß er nicht gerne als Prediger gesehen werden möchte oder gar als jemand, der Politik machen will. „Ich sehe mich in der Tradition dieser alten fahrenden Sänger, die auch gar nicht so sehr von sich selber sprechen, sondern eher eine altertümliche Form von Reportern oder Zeitbeobachter sind.“ Es sei doch traurig, daß der Begriff Liedermacher heute eher als Schimpfwort gebraucht werde. Und dann spricht er über Franz Josef Degenhardt, und man kann die Bewunderung zwischen den Zeilen heraushören.

Als er beschloß, seine Geschichten professionell zu erzählen, da war er bereits 30 Jahre alt. Er hatte gerade promoviert, da wollte der frischgebackene Doktor der Germanistik doch lieber seine künstlerische Seite ausleben. Denn – „der Ehrgeiz kam, und ich hatte regelrecht Horror davor, mich auf ein regelmäßiges Tag-für-Tag-Leben einzustellen“. Mehr als 800 Mark brauchte er damals nicht. Es klappte. Seitdem kann er leben von der Musik, von den wenigen Büchern und den Auftritten. Hin und wieder arbeitet er fürs Radio, verfaßt Features und schreibt Drehbücher für Seifenopern, um Geld zu verdienen. Was er nicht bedauert, denn es hat Spaß gemacht. Und hinter die Kulissen schauen, ruhig dasitzen und Menschen beobachten ist sowieso seine liebste Beschäftigung.

Fehler aber hat er immer wieder gemacht, falsche Entscheidungen getroffen. Er sagt es nicht explizit, aber man merkt, daß er manches bedauert. Als der erste größere Erfolg kam, ließ er sich für einen Auftritt im Rockpalast eine Kapelle aus Profimusikern zusammenstellen, anstatt seiner alten Band zu vertrauen. „Und das war“ – Denkpause –, „ja, es war nicht schlecht, aber es war halt so richtiger Deutschrock. Und ich bin nicht der Typ, ich stand da ein bißchen blöde rum. Alle haben zwar gesagt, es ist sehr interessant, aber keiner wollte es eigentlich wirklich hören.“ So verlief der erste Erfolg schnell im Sand, ohne daß er sonderlich unglücklich darüber gewesen wäre. „Es liegt mir mehr, Sachen am Klavier zu erzählen, als zu einem Rhythmus.“

Manfred Maurenbrecher: „LieblingsSpiele. Lieder und Gemeinheiten“; vom 17.9. bis 20.9., jeweils 20 Uhr, im Tränenpalast

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