Neue Kundschaft für alte Post

■ Die Armenärztin Jenny De la Torre kann neben dem Hauptbahnhof weiter praktizieren

Keine Fenster, ganze zwölf Quadratmeter – noch hat Monika Wachter die zwei winzigen Kellerräume im Ostbahnhof nicht vergessen. Hierher kam die 56jährige, wenn sie ärztliche Hilfe brauchte oder einfach jemanden, der ihr zuhörte. Monika Wachter lebt seit Jahren auf der Straße und kämpft seitdem auch gegen Krankheit, Verletzungen und Einsamkeit. In der Obdachlosenambulanz am Ostbahnhof behandelte das Team der „MUT Gesellschaft für Gesundheit“ um die Ärztin Jenny De la Torre die Wunden derer, die zu den Ärmsten der Stadt gehören. Jetzt ist der Bahnhofskeller Vergangenheit, die Arbeit von De la Torre allerdings nicht.

Seit Anfang der Woche kann Monika Wachter in die erste Etage des alten Bahnhofpostamtes kommen, wenn sie Schmerzen hat oder ihr die Seele brennt. Große Fenster, viel Platz. Die hellen Räume, die die Deutsche Post mietfrei zur Verfügung stellt, können für die nächsten zwei Jahre von MUT und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) genutzt werden. „Wir haben hier endlich eine richtige Praxis einrichten können“, sagt die Ärztin Sigrid Thomas, die De la Torre zur Zeit vertritt. Neben den neuen Behandlungsräumen gibt es jetzt auch Warteräume, Duschen und ein Zimmer für die psychosoziale Beratung. Medikamente und die Ausrüstung der Praxis müssen nach wie vor aus Spenden finanziert werden. Das DRK verlegt Waschmaschine, Wäschetrockner sowie die Essens- und Kleiderausgabe in die neuen Räume.

Nötig war der Umzug, da der Mietvertrag mit der Bahn AG zum September auslief und nicht verlängert wurde. Möglich wurde der Umzug durch Spenden und die spontane Hilfe vieler. Bau- und Renovierungsarbeiten wurden von den Firmen teilweise ehrenamtlich übernommen. Freiwillige aus sechs Ländern des Vereins Habitat of Humanity haben mitgeholfen. In nur elf Wochen wurde aus dem alten Postamt so ein neuer Ort der Mitmenschlichkeit. Thomas Müller