Es ist nicht so schlimm auf Krim

■ Songs für Ostblockpartys mit Sputnik-Ambiente: IFA Wartburg singen sich aus dem bösen, alten Kapitalismus in eine virtuelle DDR

Die spinnen, die Skandinavier. Erst kamen die Finnen von Apocalyptica und spielten die Greatest Hits des Heavy metal in Streicherbesetzung nach, und jetzt veröffentlichen zwei Schweden unter dem Namen IFA Wartburg eine CD mit dem Titel „Im Dienste des Sozialismus“. Ihre flotten Easy- Listening-Stücke tragen so programmatische Titel wie „Agrarwissenschaft im Dienste des Sozialismus“, „Zur Konferenz in Rostock“ oder gar „Der alte böse Kapitalismus“. Angeblich besteht IFA Wartburg aus den Stockholmern Magnus Michaeli und Nils Lundwall, die sich freilich die Alias-Existenzen Rolf Kempinski (Mähmaschinenexperte aus Halle/ Saale) und Heinz Klinger (Dresdner Spezialist für industrielle Infrastruktur und Energieunterstützung) zugelegt haben.

Das erinnert an die späten Achtziger, als der real existierende Sozialismus im Westen plötzlich angesagt war. Studenten reisten nicht mehr nach New York, sondern nach Neustrelitz. Es gab sogar ein Glasnost-Partybuch mit Soljankarezepten und Schnittbögen für Torten mit Hammer-und-Sichel-Dekor. Kaum fiel die Mauer, verloren die sozialistischen Nachbarn ihre rein virtuelle Ästhetik und taugten nicht mehr für trashige Späßchen. Die Liedertafel Margot Honecker, eine Singetruppe im FDJ-Look, wurde in den frühen Neunzigern äußerst verschnupft aufgenommen. Auch die Bandgeschichte von IFA Wartburg reicht in die achtziger Jahre zurück. Der Großvater von Magnus, so die Legende, hatte seinem Enkel zwar keine Deutschkenntnisse, wohl aber einen Schwung DDR-Bücher hinterlassen, darunter ein Reimlexikon. Nur dank dieser unschätzbaren Inspirationsquelle konnten Verse entstehen wie: „Wir pflücken Sellerie und fahren mit dem Pflug / In den Erbsen in der Grünkohl aber das ist nicht genug.“ Das Insiderwissen über die DDR reicht immerhin noch zu Zeilen wie „Unser Fernsehturm ist höher, viel höher“ und „Wir gucken an der Spree / Der Soldat mit dem Kind in dem Treptower Park / Er ist so groß, er reicht den Himmel an.“

Die schwedischen Landsleute zeigten sich von den sprachlichen Feinheiten des Wartburg-Humors überfordert. Auch in Deutschland wollte der Funke zunächst nicht so recht überspringen, bis im letzten Jahr die Single „Miss Gorbatschowa tanzt Bossanova“ erschien. Für Ostblock-Mottoparties mit Sputnik-Ambiente eignet sich die Comicshow von IFA Wartburg natürlich ausgezeichnet. Es bleibt nur abzuwarten, ob auch in den neuen Bundesländern ausgelassene Stimmung aufkommt bei Zeilen wie „Gestern war die DDR so toll / Heute singen wir in moll / Niemand kann das kapieren / Was bedeutet kapitulieren. Der alter böser Kapitalismus / Er ist hier.“ Hübsch wäre allerdings, wenn sich IFA Wartburg als Ostprodukt herausstellte, mit dem der Westhumor karikiert werden soll. Reinhard Krause

IFA Wartburg: „Im Dienste des Sozialismus“ (Plattenmeister/Indigo)