Ins Digitale, Freund!

■ Peter Weibel ist neuer Chef des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie. Dort will er ein virtuelles Museum aufbauen

Er ist in Odessa geboren, hat sich schon in den sechziger Jahren mit Videokunst beschäftigt und in der Wiener Performance-Szene heftig an der Erweiterung des Kunstbegriffs gearbeitet. 1968 etwa, als er auf den Hund kam und von der Performerin Valie Export Gassi geführt wurde. Heute ist er 54 und scheint immer noch vor Visionen zu strotzen, wenn er sagt, mit seiner Ernennung zum Chef des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie sei eine langjährige Liebesbeziehung durch einen Ehevertrag besiegelt worden. Das war am Mittwoch, ab Anfang nächsten Jahres soll Peter Weibel sich der nicht einfachen Aufgabe stellen, das Karlsruher Großlabor interdisziplinärer Erforschung neuer Digitaltechniken und Medienwelten zu einer Art Internet-Nahtstelle für Kunst, Forschung und Wirtschaft auszubauen.

Weibel tritt die Nachfolge von Peter Klotz an, der das deutsche Flaggschiff neuer Technologiekunst aufgebaut hat. Klotz trat im März, kurz nach der Eröffnung, überraschend zurück. Zur Begründung gab er an, er wolle sich ganz dem Aufbau des im ZKM integrierten Sammlermuseums widmen. Daß die Findungskommission unter Leitung des baden- württembergischen Wissenschaftsministers Klaus von Trotha unter zwanzig Kandidaten gerade Weibel vorschlug und der ZKM-Stiftungsrat den Vorschlag einstimmig bestätigte, bezeichnete der Stiftungsratsvorsitzende, Staatssekretär Lorenz Menz, in einem Anflug von Emphase als „historische Entscheidung“.

Weibel war der Wunschkandidat und bringt als anerkannter Medienkünstler und -theoretiker beste Voraussetzungen mit. Tausendsassa Weibel war in den neunziger Jahren unter anderem Direktor des Frankfurter Instituts für neue Medien an der Staatlichen Hochschule für Kunst, künstlerischer Leiter der Linzer Ars Electronica und Professor für visuelle Mediengestaltung an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst.

Für das ZKM hat er neue Gewichtungen angekündigt und will das weltweit größte „virtuelle Museum“ aufbauen, in dem der geneigte Internet-Surfer virtuelle 3D-Objekte umschmeicheln kann. Wichtigster Punkt für ihn allerdings: Er will „das ZKM in der globalen Medienpräsentation positionieren“ und den Schritt ins nächste, vollständig digitalisierte Jahrtausend nicht nur begleiten, sondern „mitformen“.

Keine einfache Aufgabe, die der gelernte Mathematiker mit Dissertation über Modallogik sich da ins eigene Stammbuch geschrieben hat. Denn das bedeutet im besten Falle, daß das ZKM als Global Player ins digitale Bassin steigt, wissenschaftliche Grundlagenforschung betreibt, in Konkurrenz zur Wirtschaft Patente entwickelt und junge Kreativdigitalisten anlockt. Die sollen im ZKM dereinst auch zum Doktor der Medienkunst promovieren können – meint jedenfalls Peter Weibel. Jürgen Berger