Wie repariere ich meinen Fahrstuhl? Von Ralf Sotscheck

Während ein Kollege, Wiglaf D., in den vergangenen Wochen an dieser Stelle die Handwerker wegen Geräuschbelästigung wiederholt zum Teufel wünschte, wurden 13 Fahrstuhlreparateure im Nord- Dubliner Stadtteil Ballymun vorigen Donnerstag mit stehenden Ovationen begrüßt. Man hatte lange auf sie gewartet, nämlich seit drei Monaten, weil sie im Streik waren. Der landesweite Arbeitskampf ist noch nicht vorbei, doch für Ballymun machte die Gewerkschaft eine kurze Ausnahme. Das Viertel ist seit Streikbeginn im Ausnahmezustand.

Ballymun ist die einzige Hochhaussiedlung Dublins, sie wurde vor 35 Jahren in Windeseile in die Höhe gezogen, weil aufgrund eines Mini-Wirtschaftsbooms zum ersten Mal in diesem Jahrhundert mehr Menschen nach Irland zurückkehrten als auswanderten. Für die meisten war es nur eine Durchgangsstation: Man sitzt seine Zeit im häßlichen Ballymun ab, bis man auf der Warteliste für ein Haus oder eine Wohnung in einem anderen Stadtteil nach oben geklettert ist.

Seit drei Monaten klettern freilich 6.000 Leute in Ballymun nach oben: Von den 73 Fahrstühlen funktionierten nur noch gut 20, in vielen Wohnblocks gab es keinen einzigen brauchbaren Aufzug – zum Beispiel im Block der alleinerziehenden Mütter. Die Stadtverwaltung hat die Frauen mit ihren Kindern in einem Wohnturm in soziale Quarantäne gesteckt, weil sie vermutlich befürchtete, daß Schwangerschaft ohne Trauschein ansteckend sei. Jedenfalls mußten die Frauen seit Juni bis zu 15 Stockwerke mit Kind und Kegel und Einkäufen erklimmen.

Die 76jährige Rosanna Heeney aus einem anderen Haus kam am Donnerstag gar zum ersten Mal wieder ins Freie: Sie wohnt im siebten Stock und konnte die Treppen nach einer Hüftoperation nicht mehr bewältigen. Als sie nach einem 20minütigen Spaziergang nach Hause wollte, war der Fahrstuhl allerdings schon wieder kaputt, der Monteur über alle Berge. „Wenigstens sind sie mal hiergewesen“, sagte Heeney voller Hoffnung, „bis Weihnachten kriegen sie das vielleicht hin.“ Die Gewerkschaft will jede Woche neu über die Streikaussetzung für Ballymun entscheiden.

Die Fahrstühle in den Hochhäusern sind deshalb so anfällig, weil die Ersatzteile, die im Lauf der Jahre benutzt worden sind, „nicht kompatibel“ seien, heißt es in einem Untersuchungsbericht. Hat man etwa ausgediente Rasenmäher verwendet? Die Stadtverwaltung wollte Anfang des Monats, als eine Lösung für Ballymun nicht in Sicht war, ABM-Kurse in dem Viertel organisieren: „Wie repariere ich meinen Fahrstuhl?“ Nach erfolgter Anleitung sollten die Bewohner, die eine „Kampagne für bessere Fahrstühle in Ballymun“ gegründet hatten, ihre Initiative in eine „Fahrstuhlwartungsgemeinschaft“ umwandeln.

Womöglich macht das jetzt Schule. Zum Beispiel „Flugzeugwartung leichtgemacht“, wenn das Bodenpersonal mal wieder streikt, oder „Jetzt fange ich mir einen Drogenhändler“ beim nächsten Arbeitskampf der Ordnungshüter. Eins haben die maroden Aufzüge jedenfalls bewirkt: Die Handwerker wurden vorübergehend zu Volkshelden, die Leute standen auf den Balkonen und jubelten ihnen zu. Schicken Sie Ihre Krachmacher nach Ballymun, Wiglaf D.!