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Mütter ergötzen sich am Raufen

■ Marco Simsas theatralisches Orchester vertonte die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten

Da hielten doch einige der Kinder die Luft an, als die vier „Bremer Stadtmusikanten“ durch das Fenster in die Räuber-Hütte einbrachen und einen Höllenlärm veranstalteten. Der Wiener Marco Simsa war da, eingeladen vom Musikfest, und hatte ein kleines schauspielerndes Orchester mitgebracht, allen voran den Esel „Thomas“ mit dem Ackordeon, die Katze Claudia mit dem Bassetthorn, den Hund „Daniel“ mit dem Waschbrett und Hahn Josef mit der Trompete. Erke Duit hatte die Musik zu dem Märchenklassiker in der Fassung der Brüder Grimm geschrieben; engagierte junge Musiker der Camerata Wien spielten begeistert mit. Und damit es in der Rollenverteilung auch einmal einen Wechsel gibt während der geschlagenen ganzen Stunde, die die Sesamstraßen-verbildeten Kinder zuschauen und zuhören sollen, muß der „Esel“ am Akkordeon hin und wieder auch als richtiger Esel sprechen; passend dazu wischt sich das ganze Orchester – „uaah“ – den Schweiß des Esels von der Stirn, als der berichtet, wieviel er arbeiten mußte in seinem Leben.

Marco Simsa hat für seine Erzählung den klassischen Text quasi naturbelassen übernommen und spricht ihn in eher konventioneller theatralischer Form. Vor ihm stehen auf einem kleinen Schemel nur die vier Stofftiere, die er abwechselnd – je nachdem, wer gerade in der Geschichte an der Reihe ist – auf die Hand hochnimmt. Daran erkennt jedes Kind, daß es sich hier um ein Märchen handeln muß. Ansonsten geht es fast zu wie in einem richtigen musikalischen Schauspiel. Wandern die vier Tiere durch den dunklen Wald, dann hört man den Specht und das Zirpen der Grillen aus der Ecke des Schlagzeuges. Und das ganze Publikum des Theaters am Leibnizplatz wurde kurzfristig als Chor für das „Nun gute Nacht, oben im Baum vom Hahn bewacht“ engagiert. Der dramaturgische Höhepunkt ist dabei die Vertreibung der Räuber aus der Hütte im Wald. Das halbe Orchester, allen voran der Dirigent Erke Duit, zaubern für die Szene grüne Räubermützen hervor und plötzlich macht sich die dunkle Straßenkleidung ganz gut als „Räuberzivil“. Bevor sie von den vier Stadtmusikanten vertrieben werden, singen sie – eine kleine Nachbesserung der klassischen Geschichte – das Räuberlied „Wir raufen bei Tag und wir saufen bei Nacht ...“ und das wird dann, zur Freude der Mütter, auch noch einmal mit dem Publikum geprobt – wenig vornehme Kraftsprüche in der vornehmen Theater-Athmosphäre, wo darf man sowas schon! Ein Erzähler, der die banalsten Sätze unter Spannung zu setzen versteht, ein fröhlich spielendes und lautmalendes Orchester, viel zu sehen auf der Bühne – die Stunde war schnell um und das Publikum, groß wie klein, begeistert. Im Programmheft können die Größeren zudem alles nochmal nachlesen und finden die Instrumente erklärt. Die Geschichte geht gut aus, wie man weiß, den vier Bremer Stadtmusikanten gefiel es so gut in ihrer Hütte im Wald, daß sie nie in Bremen ankamen, ihre Geschichte aber heute noch gern erzählt wird – auch in Bremen.

K.W.

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