Flo-Jo rennt nicht mehr: Fragen nicht erwünscht

■ Amerika mag nach dem Tod von Florence Griffith-Joyner keine Nachforschungen anstellen

Vielleicht ist es sogar fair gewesen, daß es am Todestag der US- Sprinterin Florence Griffith-Joyner keine strengen Fragen gab im amerikanischen Fernsehen, dessen Reporter sonst immer sehr schnell zur Stelle sind mit ihrer professionellen Neugier, wenn ein schlimmer Fall Aufklärung sucht. Daß die Nachrichtensender keine Experten auf den Schirm brachten, die erklären sollten, warum die Weltrekordhalterin (100 Meter, 200 Meter) und dreifache Olympiasiegerin von Seoul 1988, 38 Jahre jung, in der Nacht zum Montag in Laguna Beach, California, im Schlaf ein tödlicher Schlaganfall treffen mußte. Daß man statt dessen liebevolle Nachrufe sendete, ihre Schönheit pries, ihr schillerndes Auftreten, ihre Hingabe zu Kindern und natürlich ihre sportliche Leistung.

Griffith-Joyner, Spitzname „Flo-Jo“, kam aus einem unschönen Teil von Los Angeles, war verheiratet mit dem Dreisprung- Olympiasieger Al Joyner und hinterläßt eine Tochter.

Weil sie nicht nur schnell war, sondern sich dabei in Seoul mit 16 Zentimeter langen Fingernägeln und selbst entworfenen Rennanzügen inszenierte, ist die Erinnerung an ihre Läufe lebendig geblieben. Selbst der wahrlich anderweitig beschäftigte Präsident Bill Clinton erinnerte sich üblich bewegt, wie er einst auch von ihr „geblendet, überwältigt und in Bann gehalten“ worden war.

„Schade, daß sie so schnell war“, sprach der CNN-Kommentator, „daß man die Zeitlupe brauchte, um ihre tollen Laufanzüge genießen zu können.“ Und auch die Zeitungen erzählten gestern einfach nur noch einmal von ihrer Athletenkarriere, von ihrem Dasein nach dem Rücktritt 1988 als Designerin, Kinderbuchautorin, Schauspielerin, Dichterin und druckten die Trauerklagen der Prominenz aus Sport und Politik.

Wenn da nur nicht dieser scheußliche Verdacht wäre, der ihre gesamte Laufbahn ins Zwielicht rückt, daß nämlich Doping ihrem Körper über die Jahre hinweg so geschadet hat, daß er jetzt, viel zu früh, zusammenbrach. Denn bei Florence Griffith-Joyner denkt man nicht nur an originelle Mode und schnelle Beine, sondern eben auch daran, daß man ihr ihre Zeiten nie richtig abgenommen hat.

Ihr 100-Meter-Weltrekord (10,49 Sekunden), aufgestellt 1988 in Indianapolis bei den US-Ausscheidungen für Olympia und auch der 200-Meter-Weltrekord (21,34 Sekunden) vom Olympiafinale in Seoul waren so gut, daß viele dachten: Da muß Doping im Spiel sein. Die Skeptiker sahen auf ihren mächtigen Muskelapparat und fühlten sich bestätigt, sie hörten sie mit ihrer tiefen Stimme alle Verdächtigungen dementieren und fühlten sich noch mehr bestätigt. Es fehlte nur der Beweis.

Aber auch so hat die Schöne mit dem „frisch rasierten Schnurrbart“ (Deutsche Presseagentur) nie das Geld eingespielt, das ihr Manager nach Seoul prognostiziert hatte. Florence Griffith-Joyner ist aber bei Dopingproben nie aufgefallen. Das muß nichts heißen. Der deutsche Doping-Experte Werner Franke glaubt, daß schon der erste Schlaganfall von 1996 eine „typische Folge“ von Anabolika-Mißbrauch sei. Die Autopsie könnte diesen Verdacht zur Gewißheit machen, was alles andere als ein Triumph für die Zweifler wäre, sondern die Angelegenheit noch viel trauriger machen würde, als sie es ohnehin schon ist.

Allerdings dürfte ihre Familie die Ergebnisse der Untersuchung bei sich behalten, so wie sie schon 1996 Details bei sich behielt, als Griffith-Joyner auf einem Flug ihren ersten Schlaganfall erlitt. Vielleicht ist auch das dann ganz gut. Die Illusion, daß alles mit rechten Dingen zuging bei Griffith-Joyners Rennen dürfte weiterleben.

„Sie war ein Vorbild für Mädchen und junge Frauen im Sport“, hat Bill Hybl, Präsident des US- amerikanischen olympischen Komitees, gesagt. Das sagten die anderen auch. Letztlich will man doch nur glauben, daß sie auch ein gutes Vorbild war. Thomas Hahn, Atlanta