„Das Herzinfarktrisiko steigt“

■ Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter des Doping-Kontroll-Labors an der Sporthochschule Köln, über die tödlichen Risiken von Anabolikamißbrauch

taz: Herr Schänzer, im Zusammenhang mit dem Tod von Florence Griffith-Joyner wird über Doping gesprochen.

Wilhelm Schänzer: Zu ihrer aktiven Zeit gab es noch keine Trainingskontrollsysteme wie heute, die den Anabolikamißbrauch erheblich erschwert hätten. Diese Tatsache und Griffith-Joyners enormer Muskelzuwachs haben solchen Spekulationen natürlich Vorschub geleistet. Es bleiben aber Spekulationen.

Als Todesursache wird ein Schlaganfall angegeben.

Ein Schlaganfall ist eigentlich nichts anderes als ein Infarkt im Gehirn. Hierfür kann es viele Ursachen geben. Es kann durch das Platzen eines Gefäßes eine Blutung im Gehirn entstanden sein, es kann aber auch durch eine Gefäßverengung zu einem akuten Sauerstoffmangel gekommen sein.

Wird das Infarkt-Risiko durch Doping erhöht?

Es gibt Daten, die bei Bodybuildern eine Erhöhung des Herzinfarktrisikos bei der Einnahme von Anabolika nachweisen. Anabolika gehören zu den Steroidhormonen. Das ist eine Substanzklasse von Hormonen, die an Aufbauprozessen beteiligt ist. Dazu gehört zum Beispiel das männliche Geschlechtshormon Testosteron. Eine Nebenwirkung ist die verstärkte Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale. Darüber hinaus kommt es aber auch zu Nebenwirkungen toxischer Art.

Wie sehen diese konkret aus?

Anabole Steroide führen einerseits zu Blutwertveränderungen. Der Anteil des sogenannten „guten“ HDL-Cholesterins, das der Gefäßverkalkung entgegenwirkt, geht zurück. Gleichzeitig nimmt der Anteil des „schlechten“ LDL- Cholesterins enorm zu. Diese veränderte Cholesterinkonstellation im Blut kann die Gefahr von Durchblutungsengpässen vergrößern. Zum anderen kommt es durch Anabolika zu einer verstärkten Zunahme des Herzmuskelumfangs. Aber eine Verbesserung der Durchblutung findet nicht in dem notwendigen Maß statt, wie das bei normalem Training der Fall wäre. Außerdem vermutet man, daß einige Faktoren im Gerinnungssystem des Blutes durch Anabolika nachteilig beeinflußt werden. Diese Untersuchungen sind allerdings wissenschaftlich noch nicht hundertprozentig erhärtet.

Ist ein Anstieg des männlichen Hormons Testosteron für Frauen gefährlicher als für Männer?

Männer haben allgemein einen höheren körpereigenen Gehalt an Anabolika wie Testosteron. Die viel stärkere Zunahme solcher Substanzen im Verhältnis zu den im Körper bereits vorhandenen macht Frauen anfälliger für Nebenwirkungen.

Kann das zehn Jahre später noch eine Rolle spielen?

Veränderungen am Gefäßsystem sind generell langfristig, entstehen aber in der Regel nur bei Mißbrauch in hohen Dosierungen über einen längeren Zeitraum. Interview: Michael Becker