Schwimmen in produktiver Unlesbarbarkeit

■ „Picknick zwischen den Welten“, eine kleine Werkschau von Antun Tonci Cénic

Die Wahrnehmung einer Grenze zwischen Begriff und Gefühl, das ist das Thema von Antun Tonci Cénic. Der 1946 in Dubrovnik geborene Künstler entwickelt in seinen Bildschichtungen und Spielen mit Typografie, überraschend collagierter Begriffsbildung und leidenschaftlicher Malerei einen gestalterischen Freiraum der sinnlichen Freude. Gleichzeitig verweigert er jede eindeutige Interpretation seiner Arbeiten. Zu Recht. Das Kunstkabinett des LBK-Hamburg zeigt jetzt unter dem Titel Picknick zwischen den Welten eine kleine und feine Werkschau des Künstlers, der von 1973 - 1980 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studierte und seit 1993 Dozent an der hiesigen Berufsfachschule für Kommunikationsdesign und neue Bildsprache ist.

Der Dadaismus im Sinne Richard Hülsenbecks steht diesem künstlerischem Weg so nahe, wie die Arbeit der DeCollagisten und Nouveau Réalistes: Insignien des Individuellen, Schrift und intime Figur, werden vor der Furie des Verschwindens genauso zu retten versucht, wie sie andererseits in der produktiven Unlesbarkeit verschwimmen. Cénic löst damit ein, was vermutet werden durfte: Kunst ist Schaffung einer Atmosphäre, Kunstwissenschaft ist Klimaforschung. „Die Bilder sollen atmen“, sagt der Künstler und hat ein hohes Ziel vor Augen: „malen, wie Keith Jarrett improvisiert“.

Konkret bedeutet dies, die ersten auf dem unheiligen Papier erscheinenden Zeichen und Zeichnungen eine eigene Sprache entwickeln zu lassen, die sich assoziativ fortschreibt und malt. Ran ans Zeichen, ran ans Papier, und wieder abgerissen, übermalt, geschichtet und gedichtet. Jazz ist Synkretismus, Integration des Hemmwerkes im Stolpern – eine Geste.

Zeichen, Zeichnung und Farbe werden atmosphärische Realität, die flüchtig ist wie Menschen und Gefühle. Sie können verloren gehen und müssen gerettet werden. In diesem Sinne ist die Malerei von Tonci Cénic ein Rettungsakt. Im Traum und im Surrealismus ist Wahrheit und manches besser, sagt Ernst Bloch. Es gibt einen Rest, der von jedem Ausgemalten noch zurückbleibt – eine Metapher der Hoffnung, die selbstgewählte und ausgeführte Arbeit des kroatischen Künstlers.

Gunnar F. Gerlach

LBK-Kunstkabinett, Friedrichsbergerstr. 56, Haus C, III. Stock, bis 15. Januar 1999, werktags 10 - 15 Uhr