Bekiffte Probanden sind „ethisch“ nicht vertretbar

■ Seit 1. August kann jeder wegen Drogen am Steuer bestraft werden, wenn diese in kleinsten Dosen im Blut nachweisbar sind. Doch die eingesetzten Testgeräte arbeiten noch nicht zuverlässig

Bekifft Auto fahren kann schon seit langem ein juristisches Nachspiel haben. Führerscheinentziehungen wie Strafverfahren scheiterten bisher allerdings oft an der Beweislage – zu oft, fand die Bonner Koalition und schloß die gefundene „Ahndungslücke“. Seit 1.August, seit der neugefaßte Paragraph 24a des Straßenverkehrsgesetzes gilt, kann nun jeder wegen Drogen am Steuer bestraft werden, wenn diese in irgendeiner Form im Blut nachweisbar sind. Neben den weiterhin möglichen schärferen Sanktionen durch die Strafgesetzgebung drohen nun allein durch die neue Regelung bis zu 3.000 Mark Geldbuße, bis zu drei Monaten „Sperre“ und mindestens vier Punkte in Flensburg. Nicht nur Heroin, Kokain und Amphetamine stehen auf der Liste, sondern auch Cannabis.

Über ihre praktischen Erfahrungen halten sich Polizei und Innenministerien bisher bedeckt. „Die Regel ist doch erst seit ein paar Wochen in Kraft“, heißt es unisono in Berlin, Düsseldorf, Hannover und Bonn. So erfährt man auch nur wenig über die Anfangsschwierigkeiten. Hoffnungen setzt die Polizei auf den Drugwipe- Tester, der einem Fieberthermometer ähnelt. Bei bloßem Kontakt mit Körperschweiß soll er Drogen erkennen. Die Meßtechnik arbeitet so fein, daß selbst der Rauch von anderer Leute Joint nachgewiesen wird. Wer zu Unrecht ins Netz geht, kann noch auf die Blutprobe hoffen.

Die dürfte nicht in jedem Fall Erlösung bringen. Denn THC- Rückstände sind bis zu mehrere Wochen im Blut nachweisbar, und der neue Paragraph nennt bewußt keinen Grenzwert. Sebastian Glathe, Rechtsanwalt aus Freiburg, der sich auf den Bereich „Drogen und Straßenverkehr“ spezialisiert hat, erwartet Klärung durch Klagen: „Es gibt ein breites Spektrum an Sanktionsmöglichkeiten. Da kommt es dann auf die Frage an, wie stark jemand beeinträchtigt war.“ Irgendwann werde „das eine oder andere obere Gericht ein Gutachten beantragen“, in dem festgestellt wird, bis zu welcher Menge THC im Blut man noch fahrfähig ist.

Auch beim Drugwipe steht die Wissenschaft noch in der Pflicht. Zwar werde es Messungen per Drugwipe demnächst in ganz Baden-Württemberg geben, sagt Alice Loyson-Siemering, Pressesprecherin des Stuttgarter Innenministeriums. Zunächst werde aber nur nach Opiat- und Kokainkonsumenten gesucht. Hans Sachs, als Toxikologe am Rechtsmedizinischen Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität an der wissenschaftlichen Begleitung der Pilotstudien beteiligt, berichtet, daß das Gerät für die Messung anderer Drogen im Straßenverkehr zur Zeit „nachgebessert“ werde. „Der Amphetamin-Test wird wahrscheinlich vor dem Cannabis-Test auf den Markt kommen.“ Schärfer urteilt Michael Karus vom nova-Institut über die fehlerhaften Cannabis-Messungen des Drugwipe: „Feldversuche haben ergeben, daß man am besten was anderes entwickeln sollte.“

Nachteilig ist auch, daß das Gerät (Preis 15 Mark, Mengenrabatt möglich) nach einfachem Gebrauch Müll ist. Hinzu kommt, daß man für jede gesuchte Droge einen Extratest machen muß. Schon aus Sparsamkeit müssen die Beamten also wissen, nach was sie zuvörderst suchen.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch-Gladbach hat die Programme entwickelt, mit denen Beamte Personen unter Drogeneinfluß leichter erkennen können sollen. „Wir werden wahnsinnig nachgefragt“, berichtet Pressesprecher Axel Kuchenbecker. Nicht nur die Nachfrage der Polizei sei größer als erwartet, auch Fahrschulen und psychologische Institute wollten Infos haben. Die Broschüre „Drogenerkennung im Straßenverkehr“ erläutert den Verlauf der Polizeischulungen. In den Kursen à 4x8 Stunden werden Kurzvideos eingesetzt, mit Szenen, die „mit Schauspielern nachgestellt“ wurden. Am Schluß gibt es einen „Workshop“: Die Beamten testen den Trunkenheitsgrad von Versuchspersonen, die eigens zu diesem Zweck alkoholisiert werden – und „keine Lehrgangsteilnehmer sein sollen“, wie die Bundesanstalt klarstellt. Messungen unter Cannabis-Einfluß können nicht praktisch am Mann geübt werden, denn: „Die Verabreichung von Drogen oder psychotropen Medikamenten verbietet sich aus juristischen und ethischen Gründen.“ Matthias Fink