Gruppe mit Haus und Hof

Ein ganz besonderes Wohnprojekt: In Tornesch soll ein „Atriumhaus“ gebaut werden – nach streng ökologischen Kriterien  ■ Von Eva Wolfangel

Ein großer Hof, gesäumt von Häusern, die eine hundertjährige Geschichte erzählen könnten. Kinder spielen Ball und die Erwachsenen sitzen plaudernd und kaffeetrinkend um einen Tisch in der Sonne. Knöterich rankt die Hauswände hoch, in einer Ecke stehen einige Fahrräder: Hinterhofidylle, wie sie sich nicht nur in südlichen Gefilden, sondern auch in heimischen Altbauvierteln immer noch finden läßt. Ein „einzigartiges Projekt in der Geschichte Norddeutschlands“ will nun den Versuch wagen, mit einem „Atriumhaus“ die Vorteile gewachsener Hinterhofstrukturen in einem Neubau zu verwirklichen.

Im schleswig-holsteinischen Tornesch – und zunächst nur auf dem Papier: Denn für die zehn Wohneinheiten, die das „Atriumhaus“ um seinen Innenhof gruppieren will, haben sich erst sechs interessierte Parteien gefunden. Die vollständige Belegung ist eine der Voraussetzungen für den Baubeginn des „sozialen Gruppenwohnprojekts“, das darüber hinaus „generationsübergreifendes Wohnen ermöglichen“ soll sowie Gemeinschaftsräume für Kinderbetreuung, Feste oder Gäste vorsieht. Und das, so hat es die Gemeinde Tornesch als Ideen- und Grundstücksgeberin vorgeschrieben, nach ökologischen Kriterien gebaut werden muß.

Für Joachim Radler vom Ingenieurbüro ConTerra keine Hürde. Die Hamburger sind Spezialisten für Niedrigenergiehäuser, das von ConTerra geplante „Atriumhaus“ soll als Holzrahmenbau errichtet und – nur baubiologische Stoffe werden verwendet – mit Zellulose und Hanf isoliert werden. Zur optimalen Wärmedämmung und Winddichte: „Dreißig Prozent des Energiebedarfs der Bundesrepublik werden fürs Heizen verwendet“, sagt Radler, das lasse sich erheblich reduzieren. „Blower-Door-Tests“, also Messungen zum Raumluft-Austausch, hätten für konventionelle Bauten bis zu siebenmal schlechtere Werte als bei Niedrigenergiehäusern ergeben. Für den Innenausbau schwört Radler auf Lehm. Das Gemisch aus Ton und Sand sorge für ein optimales Raumklima und eigne sich „besonders zur kreativen Raumgestaltung“.

Auch architektonisch gesehen ist das „Atriumhaus“ etwas Besonderes. Die Idee dazu hatte der Linzer Architekt Fritz Matzinger, den afrikanische Rundsiedlungen zum „kommunikativen Wohnen“ inspirierten. Matzinger, der schon während seines Studiums kritisiert hatte, daß konventionelle Architektur den Menschen als soziales Wesen vernachlässige, nennt seinen Baustil „Les Paletuviers – Wurzelbäume“ und interpretiert dies programmatisch als „das Übel an der Wurzel fassen“. Auch für Joachim Radler steht neben dem ökologischen Bauen die „Schaffung selbstbestimmter Nachbarschaften und die Aufhebung der Isolation“ im Vordergrund – realisiert durch den zentralen Innenhof. Hier sollen sich die Nachbarn zwanglos treffen können; für witterungsbedingte Unabhängigkeit sorgt ein Dach, das sich je nach Wetterlage öffnen oder schließen läßt.

Zu den künftigen BewohnerInnen, die, wenn sie vollzählig sind, das Grundstück in Tornesch als Verein kaufen werden, gehört Ulrike Eschke. Die Mittdreißigerin will wahrscheinlich mit ihrem Lebensgefährten und Baby einziehen. Ein Vorteil des Projekts ist für sie, daß sie das vorliegende Konzept nach ihren Vorstellungen verändern kann – als Anhängerin des Feng Shui, einer chinesischen Lehre über die Umgebung des Menschen, hat sie eigene Ideen bezüglich der Anordnung von Türen und Fenstern oder Farbgebung.

Auch Joachim Radler versteht seine Pläne als erste „Vorschläge“, die beispielsweise in der Woh-nungsgröße, der Raumaufteilung oder der Auswahl der Baumaterialien variabel sind. Die interessierten Familien, Alleinerziehende, Paare oder Singles, die künftig zusammen im „Atriumhaus“ leben wollen, treffen sich nun regelmäßig unter Aufsicht eines Supervisors und besprechen ihre gemeinsame Zukunft.

InteressentInnen für das Gruppenwohnprojekt „Atriumhaus“ wenden sich an Joachim Radler, ConTerra, Tel.: 040/511 50 27/28