Juristen üben Selbstkritik

■ Eigene Zunft bezieht Schelte beim Bremer Juristentag

Fast hätte der Frühnebel über Bremen den Auftritt Roman Herzogs zum Abschluß des Deutschen Juristentages im Bremer Kongress-Zentrum verhindert. Doch gerade rechtzeitig tat sich gestern morgen ein Wolkenloch auf, durch das die kühnen Kampfflieger das Fluggerät des Bundespräsidenten sicher zur Erde bachten. So konnte der ehemalige Verfassungsrichter der eigenen Zunft ein paar freundlich-bestimmte Worte ins Stammbuch schreiben.

Gesetze, Verordnungen und richterliche Entscheidungen seien meist so formuliert, daß sie nur den Juristen ansprechen und nicht den Laien. Für den Bundespräsidenten nicht nur ein sprachliches Problem: „Wie soll der Bürger Spielregeln beachten, die zu verstehen selbst der Experte Mühe hat?“, fragte der Bayer seine Zunft, die seit Dienstag lange Stunden debattiert hatte, wie die juristischen Empfehlungen an die Bundesregierung zu formulieren seien.

Auch der Gesetzgeber mußte Schelte von Herzog einstecken. Der sollte den Verwaltungen und Gerichten „mehr Raum zum Atmen lassen“. Der Versuch, sämtliche Einzelfälle in Gesetzen zu regeln, sei nicht sinnvoll.

Damit nahm Herzog den Ball auf, den der Präsident des Juristentages schon bei der Eröffnung gespielt hatte. Hans-Jürgen Rabe hatte den Gesetzgebungsaktionismus in Deutschland kritisiert und die Qualität vieler Gesetze und Verordnungen bemängelt. Der Gesetzgeber gefalle sich in extensiven Detailregelungen, die Vollzugsorgane und Rechtssprechung mehr verwirre als ihnen helfe, sagte der Rechtsanwalt aus Hamburg. Vieles stelle sich als Versuchsgesetzgebung dar, die durch Reparaturgesetze ausgebessert werden müsse. jof