Belgiens Innenminister tritt von seinem Amt zurück

■ Louis Tobback zieht die Konsequenz aus dem Tod einer Asylbewerberin in der vergangenen Woche. 5.000 Menschen beteiligten sich an der Trauerfeier für die tote 20jährige Nigerianerin

Brüssel (dpa/AFP) – Nach dem Tod einer Asylbewerberin aus Nigeria ist Belgiens Innenminister Louis Tobback am Samstag abend endgültig zurückgetreten. Ungeachtet der politischen Konsequenzen der Affäre protestierten Bürgerrechtler weiter gegen die belgische Abschiebepraxis. Knapp 5.000 Menschen nahmen am Samstag in Brüssel an einer Trauerfeier für die 20jährige Sérima Adamu teil, die am Dienstag bei der Abschiebung gestorben war. Die Polizeiführung bedauerte öffentlich den Vorfall und bat um Verzeihung.

König Albert II. akzeptierte Tobbacks Rücktritt und bestätigte dessen Nachfolger Luc Van Den Bossche. Beide Politiker sind Sozialisten. Belgien hat eine christlich-sozialistische Regierung.

Sélima Adamu sollte von Brüssel aus in einem Flugzeug abgeschoben werden und wurde von zwei Polizisten begleitet. Da die an Händen und Füßen gefesselte Frau laut schrie, preßten diese ihr nach bisherigen Erkenntnissen minutenlang ein Kissen auf den Mund. Sie verlor das Bewußtsein und starb später in einem Krankenhaus. Einer der Polizisten hatte bereits 1997 nach Mißhandlungen eines Asylbewerbers eine Disziplinarstrafe erhalten.

Unterdessen hat das Kollektiv gegen Abschiebungen (CCE) in Brüssel darauf hingewiesen, daß auch im nordbelgischen Brügge Flüchtlinge in einem Auffangzentrum mißhandelt wurden. In einer Erklärung des Kollektivs heißt es: „Ein Pakistaner hat uns Spuren von brennenden Zigaretten auf seinem Rücken gezeigt, andere [Asylbewerber] haben uns gesagt, daß Kinder kein Essen bekamen, um Druck auf ihre Eltern auszuüben“, damit diese ihren seit Mittwoch anhaltenden Hungerstreik beenden.

An dem Hungerstreik beteiligten sich mindestens ein Dutzend der 120 Asylbewerber. Die Aktion richte sich gegen die „Haftbedingungen“ in dem Zentrum, das nur für 25 Menschen ausgelegt sei, erklärten die Organisatoren. Unter ihnen sei eine 79jährige kranke Frau, die von der Polizei drangsaliert werde.