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Eugene, HippietownIn den Sphären ist Ruh

■ Wie spiritistische Sitzungen mit Sara Fellez zu einem ganz neuen Selbstbild verhelfen können

Eugene ist auch die Stadt der Zauberer, der Kartenleger, der Handleser, der Außerirdischenerkenner, der Wunderheiler, der Knochenwerfer und der Runenleser. Eine okkultische Stadt. Hier kann man kleine Wunder erleben. Oder große.

Ich vertraute mich zu diesem Zwecke Sara Fellez an. Sie ist die Präsidentin der Kirche des universellen Lebens, der Herrschaft und der Gnade. Sie wohnt in einem großen Haus am Waldrand. Es stinkt erbärmlich nach Katzendreck. Irgendwo klimpert ein Kristallvorhang. Sara ist etwa fünfundfünfzig Jahre alt, hat rotblond-leuchtend langes Haar und freundlich glänzende blaue Augen. Nicht weiter beunruhigend. Wir sind sechs. Für diese Sitzung wurde uns ein Gespräch mit Saras „Medium“, einem ihrer früheren Ichs und kleine Heilungserfolge versprochen.

Wir sitzen im Halbkreis. Warten. Sara beschwört zunächst die höchste Quelle des Lichts und der Liebe, daß sie zu uns herunterkommen möge, jeder einzelne im Kreis solle sich ruhig seine eigene Vorstellung dieser höchsten Macht machen. Dann stellt sie einen Küchenwecker auf eine halbe Stunde, sagt, sie sei nunmehr bereit, ihr früheres Ich für eine Weile mit uns sprechen zu lassen und schließt die Augen.

Jetzt wird es etwas peinlich: Ein beseeltes Lächeln verwandelt Saras Gesichtszüge, ihr Oberkörper wiegt sich hin und her, wie von anderen Sphären seicht geschaukelt. Dann meint es aus ihr, wir sollten ihr doch Fragen stellen. Man fragt auch gleich, wer es denn sei, der da aus Sara spreche, und es spricht: „Jesaja, ich bin Jesaja! Ihr kennt mich aus dem Alten Testament.“ Nun, ich bin nicht ganz so sicher, ob ich ihn aus dem Alten Testament kenne, komme aber gar nicht zum Nachdenken, da die Fragen gleich aus der Runde hervorsprudeln: „Wie geht es weiter mit unsrer Welt, Jesaja, wie wird das nächste Leben sein, wann sehen wir das höchste Licht?“

„Langsam, langsam“, spricht es da. Und: „Also, die Erde so wie wir sie kennen, wird nicht mehr lange so bestehen. Wir fahren fort in eine neue Dimension.“ „Wann wird das sein?“ Jesaja sagt, er sei da nicht so bewandert, in diesen Dingen, die wir Zeit nennen, aber wenn er sich recht besinne, dann könne man im Jahre 2008 damit rechnen. „Und wer wird sich qualifizieren, für diese neue Welt?“ – „Die, die ihr Leben in den Dienst der Liebe stellen und so sehr lieben, daß so eine starke Körperreibung, so viel Bewegung, so viel Wärme entsteht“, versucht Jesaja es zu erklären, „daß das Raumschiff, das dann kommen wird, sie aufnehmen kann.“

Hm. „Und die Kinder, werden die Kinder alle aufgenommen werden?“ – „Ja, die Kinder als erstes. Und dann die Mütter natürlich auch. Es wird dort, in der neuen Dimension nichts Schweres, nichts Böses, nichts Belastendes mehr geben, nur noch das Glück und eine große, leichte All- Einigkeit. Währenddessen wird der Planet Erde von allem Bösen, Schlechten und Falschen gereinigt werden, und ist man damit fertig, können wir alle wiederkommen.“

Alle hören gerne zu. Marion sitzt ganz außen, und als der Name Jesaja fiel, hat man gleich gemerkt, daß sie den wohl besonders gerne mag, von den Geschichten aus der Bibel. Jetzt stellt sie ihre Frage: „In welcher Gestalt war ich auf dieser Welt, zu deiner Zeit, Jesaja?“ Und er spricht: „Als meine Mutter.“ Da ist nun allerdings kein Halten mehr. Marion seufzt und ruft: „Danke, danke, o vielen Dank für diese Nachricht“ und ist für den Rest der Sitzung schon mal in jene neue Dimension selig vorausgeeilt.

Dann wendet Jesaja-Sara sich an mich: „Frag mich was!“ Mir fällt nichts ein. Es spricht: „Du möchtest sicher wissen, wer du warst, damals, zu meiner Zeit.“ Gut, ja, will ich wissen. „Du warst ein Gladiator, schön und stark. Ich sehe dich im Zirkus Maximus. Du kämpfst. Doch du willst nicht kämpfen. Mitten im Kampf beschließt du: Nein. Ich werde nicht mehr weiter kämpfen. Es muß ein Ende sein, mit aller Kämpferei. Und du hältst inne, mitten im wildesten Kampfgetümmel. Das Publikum buht aufgebracht. Verständnislos. Und schon durchbohrt der Speer des Gegners deine Brust. Es scheint ein Tod in Schande, doch der Ruhm deiner Tat, leuchtet voraus in eine neue, friedvolle Dimension, in der man dich für dein friedliches Tun als Helden verehren wird.“

Verzauberte Stille im Raum. Man winkt mir zu, gratuliert mir, und Marion verabschiedet sich am Ende ganz verschüchtert und gerührt: „Es war eine große Ehre, dich kennengelernt zu haben.“ Blue Moon Thunder

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