Arafat und Netanjahu reichen sich die Hände

Der PLO-Chef und der israelische Regierungschef treffen sich in New York mit US-Außenministerin Madeleine Albright. Ein Vorspiel zu einem weiteren Teilrückzug der israelischen Truppen aus dem Westjordanland?  ■ Von Georg Baltissen

Jerusalem (taz) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Jassir Arafat haben sich gestern zur Überraschung vieler Beobachter die Hände geschüttelt. Arafat, so schien es, wollte Netanjahus Hand gar nicht mehr loslassen. US-Außenministerin Madeleine Albright hatte das Treffen am Rande der UN-Vollversammlung in New York vermittelt, das einem gemeinsamen Gipfel mit US-Präsident Bill Clinton in den nächsten Tagen vorausgegangen sein könnte. Auf diesem Gipfel könnte ein Abkommen über den nächsten israelischen Teilrückzug geschlossen werden.

13,1 Prozent des Westjordanlandes sollen laut US-Vorschlag an die Palästinenser übergeben werden. Nur 1 Prozent wird demnach von der völlig israelisch kontrollierten Zone C zur Zone A unter palästinensischer Kontrolle werden. 9 Prozent werden zur Zone B erklärt, die ziviler palästinensischer, aber israelischer Militärkontrolle untersteht. 3 Prozent sollen Naturschutzgebiet werden, in dem die Palästinenser nicht bauen dürfen.

Der palästinensische Minister ohne Geschäftsbereich, Nabil Amr, erklärte vergangene Woche, daß US-Unterhändler Dennis Ross bei seinem fast zweiwöchigen Aufenthalt in der Region eine entsprechende Übereinkunft erzielt habe. Unklar blieb allerdings, wie die zukünftige Sicherheitskooperation der Palästinenser mit den Israelis aussehen wird. Auch die Frage der erneuten Annullierung der PLO-Charta ist nicht von der Tagesordnung gestrichen. Und die Überstellung verurteilter Hamas- Anhänger an Israel ist immer noch eine Forderung, die Netanjahu erhebt, ehe er einem weiteren Abzugsabkommen mit den Palästinensern zustimmen will.

Der Hintergrund des Treffens zwischen Netanjahu und Arafat kann nicht von der palästinensischen Absicht getrennt werden, im Mai 1999 einen palästinensischen Staat auszurufen. Seit Wochen unternimmt die israelische Regierung alles, um Arafat von einer derartigen Ankündigung vor der UN-Vollversammlung abzuhalten. In Jerusalem wird befürchtet, daß eine große Mehrheit der UNO einer solchen Erklärung ihre Zustimmung erteilen wird. Netanjahu hat in seiner vorab publizierten Rede vor der UN erklärt, daß eine solche Staatserklärung zu einem definitiven Abbruch der Verhandlungen und israelischen Sanktionen führen werde. Netanjahu bezeichnet eine entsprechende Erklärung Arafats als Bruch der Oslo-Vereinbarungen, den Israel nicht hinnehmen werde. Auch Israels Präsident Eser Weizman erklärte, Arafat bewege sich auf dünnem Eis. Er könne sich nicht wie seinerzeit Ben Gurion auf einen UN-Beschluß zur Bildung eines – damals israelischen – Staates berufen. Der UN-Beschluß von 1947 sieht jedoch auch die Bildung eines palästinensischen Staates vor. Darauf könnte sich Arafat berufen.

Die Drohung der Siedler und der „Groß-Israel-Front“ im israelischen Parlament, Netanjahu zu stürzen, falls er auch nur einen Quadratmeter biblischen Landes preisgeben wird, hängt wie ein Damoklesschwert über Netanjahu. Er müßte sich der Unterstützung der Opposition versichern, um den avisierten Rückzug tatsächlich durchzuführen. Das aber will der Ministerpräsident verhindern. Wenn er seine Sicherheitsforderungen und das dreiprozentige Naturreservat durchsetzt, dürften selbst Minister wie Ariel Scharon ihm die Zustimmung nicht verweigern. Damit aber wäre er in der eigenen Koalition über den Berg. Und er hätte das volle Vertrauen der US-Regierung wiedergewonnen. Die Palästinenser sind daran interessiert, den Oslo-Prozeß am Leben zu erhalten. Jeder israelische Rückzug ist ihnen willkommen. Eine Einigung noch in dieser Woche unter Federführung von US-Präsident Bill Clinton erscheint deshalb keineswegs unwahrscheinlich. Die Ausrufung eine palästinensischen Staates dürfte deshalb – zumindest vorläufig – vom Tisch sein. Georg Baltissen