„Falsche Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit“

■ BDI-Vize Tyll Necker über die Probleme, die die Wirtschaft mit Rot-Grün hat. Sie fürchtet eine Dämpfung der Investitionen und eine Schwächung der industriellen Basis in Deutschland

Herr Necker, machen Wahlen für die Wirtschaft einen Unterschied?

Natürlich. Wir werden uns auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen müssen.

Daimler-Chef Jürgen Schrempp ist anderer Meinung. Vor der Wahl sagte er sinngemäß in einem Interview, die großen Unternehmen würden so oder so mit voller Kraft vorausfahren und die Politik hinke bloß hinterher.

Sie müssen unterscheiden zwischen den stark globalisierten Unternehmen wie Daimler-Chrysler und den sehr viel breiteren Kreisen des Mittelstandes, die ja nicht so einfach in andere Länder ausweichen können.

Welche Rahmenbedingungen werden sich unter der neuen Regierung ändern?

Eine rot-grüne Koalition wird den Konsum und die Entlastung der niedrigeren Einkommen bevorzugen und auf der anderen Seite die investive Seite belasten.

Gerhard Schröder hat sich als Ministerpräsident Niedersachsens doch immer betont wirtschaftsfreundlich gegeben.

Vergleichen Sie einmal Niedersachsen mit Bayern: welche Unterschiede es da gibt in der Investitions-, der Beschäftigungs- oder der Ausbildungsquote.

Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Wir halten eine angebotsorientierte Politik für sinnvoll, die die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärkt, vor allem durch Senkung von Steuern und Abgaben. Es müssen aber auch Bremsklötze für Innovationen wegfallen. Bei einer nachfrageorientierten Politik dagegen, die wir jetzt zu erwarten haben, wird erst einmal der Konsum positive Impulse bekommen. Jedoch nach einigen Monaten wird eine Dämpfung der Investitionen erkennbar werden.

Aber die Steuerreform, die die Senkung von Steuern und Abgaben bringen sollte, hat die CDU-Regierung auch nicht hinbekommen.

Immerhin hat die alte Regierung die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer durchgesetzt und die Vermögenssteuer abgeschafft.

Wird das eine Regierung Schröder denn rückgängig machen?

Zumindest die private Vermögenssteuer wird die SPD wohl wieder einführen. Aber der wichtigste Punkt ist die Rentenreform. Die Rückdrehung dieser Reform, wie im Wahlkampf angekündigt, würde die Rentenkassen mit 150 Milliarden Mark belasten und das Ziel, die Lohnnebenkosten zu entlasten, konterkarieren.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist aber durchaus ein rot-grünes Projekt, nämlich durch eine ökologische Steuerreform.

Würde die grüne Forderung umgesetzt, liefe das auf eine Vervierfachung der jetzt schon existierenden Energiesteuern heraus. Dann würden viele Industriebereiche auswandern, vor allem die Dienstleister würden dagegen begünstigt. Wir müssen uns doch fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, die industrielle Basis Deutschlands weiter zu schwächen.

Wenn die rot-grüne Politik so problematisch für die Wirtschaft ist, warum hat dann die Börse nach dem Wahltag überhaupt nicht negativ reagiert?

Die Börse hat den erwartbaren Wahlsieg der SPD schon vorweggenommen. Wenn Sie aber etwas genauer hinsehen, erkennen Sie, daß die Aktien von Energieunternehmen gesunken sind und die Konsumwerte gestiegen. Das entspricht genau der rot-grünen Position, daß der Konsum begünstigt wird, während die Investitionen, vor allem im Energiebereich, benachteiligt werden.

Was wäre denn das Allerschlimmste, was eine rot-grüne Regierung aus Sicht der Wirtschaft tun könnte?

Wir brauchen hier kein Worst- case-Szenario aufzustellen. Unsere Wirtschaft ist ja eingebunden in eine europäische und weltweite Verflechtung. Das heißt, wenn wirklich schlimme Fehler gemacht werden, werden die sehr schnell durch Arbeitsplatzverluste bestraft. Dadurch wird die Experimentierfreudigkeit einer neuen Regierung deutlich begrenzt.

Vor der Wahl hat die Wirtschaft recht scharf gegen Rot-Grün geschossen. Wie stellt sich die Wirtschaft jetzt auf eine rot-grüne Politik ein?

Es gibt keine abgesprochene Strategie. Aber natürlich wird die Wirtschaft immer dann Widerstand leisten, wenn Arbeitsplätze gefährdet sind. Und die rot-grüne Koalition geht meiner Ansicht nach mit falschen Rezepten an das Problem Arbeitslosigkeit heran.

Was sind die falschen und was die richtigen Rezepte?

Ich möchte daran erinnern, daß der große Schub bei der Arbeitslosigkeit in den 70er Jahren unter einer sozialdemokratischen Regierung kam. In den 80er Jahren aber wurden durch eine angebotsorientierte Politik über drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen.

Und der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf die jetzige Rekordhöhe?

Das hängt natürlich sehr stark mit der enormen Belastung mit Steuern und Abgaben durch die Wiedervereinigung zusammen. Wir müssen fragen: Was schafft denn Arbeitsplätze? Doch nicht Absprachen am grünen Tisch, sondern reale Aufträge.

Sie sprechen sich gerade gegen ein Bündnis für Arbeit aus?

Nein, ein Bündnis für Arbeit ist in Ordnung, wenn es der gegenseitigen Information dient; wenn dann zum Beispiel die Gewerkschaftsseite einsehen würde, daß ein „Ende der Bescheidenheit“ nicht ins weltweite Szenario von Asien- und Rußlandkrise paßt. Was aber nicht geht, ist, daß Spitzenverbände Versprechen machen über neue Arbeitsplätze. Die BDI- Unternehmen etwa sind freiwillige Mitglieder und können vom Spitzenverband überhaupt nicht gebunden werden. Das wäre eine reine Phantomdiskussion. Interview: Nicola Liebert