Unorthodox stört nicht

■ Ein Wechsel an der Spitze des AA eröffnet vielen Angestellten neue Karrierechancen

Von wegen Panik. Gutgelaunt und heftig schwatzend flanieren sie durch die Rheinauen: Mittagspause im Auswärtigen Amt am ersten Tag nach der Wahl. Nein, diese Herrschaften wirken keineswegs kopflos, weil ihr Haus den Herrn wechseln wird. Fast dreißig Jahre war das Auswärtige Amt (AA) der Erbhof der FDP, und nun fliegt sie aus der Regierung. Joschka Fischer will Außenminister werden – und viele im Haus scheinen gar nicht abgeneigt.

Dabei gehört der liberale Geist im AA schon zum Inventar. 1969 zog mit Walter Scheel der erste FDP-Mann hier ein. Mitten im Kalten Krieg setzte sich ein außenpolitischer Kurs durch, der nicht nur von Brandts Ostpolitik, sondern vor allem von deutscher Zurückhaltung auf internationalem Parkett geprägt war. Dem Kurs des großen Genscher fühlen sich heute noch viele verpflichtet. Und erinnern daran, daß sich auch 1992, als der damalige Justizminister Klaus Kinkel im Auswärtigen Amt antrat, die Begeisterung in Grenzen hielt. Man war skeptisch. Und arrangierte sich doch.

Bei der europäischen Integration verbuchte das Auswärtige Amt in den letzten Jahren Kohlscher Regentschaft Erfolge. Im Haus allerdings sank die Stimmung, wissen Eingeweihte zu berichten. Der Etat wurde zusammengestrichen, oft fühlten außenpolitische Experten sich vom eigenen Regierungschef übergangen. Europa- und Weltpolitik machte der Kanzler am liebsten selbst. Und innerhalb des Hauses zeigte sich die angestammte FDP-Oligarchie zunehmend unbeweglich.

Daß das Amt nach wie vor als Juwel unter den Ministerien gilt, führen Mitarbeiter vor allem auf gute Nachwuchspolitik und eine unkonventionelle Besatzung zurück. Hier sei man eher intellektuell als stromlinienförmig, das FDP- Parteibuch ist nur für die oberste Riege relevant.

Nur wenige der insgesamt 8.878 Mitarbeiter im In- und Ausland, so schätzt ein höherer Beamter, werden jetzt ihre Koffer packen. Der Rest bleibt – oder rückt auf. Für viele eröffnet der Wechsel schlicht neue Karrierechancen. Da stört ein unorthodoxer Außenminister keineswegs.

Und die Nato-Einsätze im Kosovo? Glaubt man den AA-Mitarbeitern, wird ein Außenminister Fischer das schon irgendwie hinkriegen mit seiner Partei. Weil sie ihm gar keine andere Chance lassen. Constanze von Bullion, Bonn