Plüsch mit Niveau

Nach einem Monat Pause öffnet heute das Café Keese wieder – mit strengerer Kleiderordnung, billigeren Getränken und Eintrittsgeld  ■ Von Judith Weber

Mit den richtigen Schuhen ist die Grenze des guten Geschmacks schnell überschritten. Mit Turnschuhen etwa, die schwarze Schlieren auf dem Parkett hinterlassen, während sich weiter oben am Körper Jeans über Männerhintern spannen. „Es gibt einfach Orte, da gehört sowas nicht hin“, sagt Horst Steinfurt und rückt seinen Polsterstuhl zurecht. Hinter ihm ziehen kleine Porzellanpferdchen eine bemalte Kutsche; den Strauß mit blassen Seidenblumen verdeckt Steinfurts linke Schulter. „Niveau!“ beharrt der Sprecher der frischgegründeten Café-Keese-Betreibergesellschaft und reckt den Hals, den ein Hemdkragen von der Farbe jener Himbeer-Kaugummis umschließt, auf deren Packung „mit naturidentischen Aromastoffen“ steht. „Wir werden in Zukunft darauf achten, daß das Niveau unserer Gäste ein bestimmtes Level nicht unterschreitet.“

Diese Zukunft beginnt heute. Um 21 Uhr öffnet das Café Keese auf der Reeperbahn wieder seine Türen – nach vier Wochen, in denen es erst geschlossen, dann rausgeworfen, umkämpft und schließlich gerettet wurde, weil Steinfurt die Immobilienfirma kannte, die das komplette Haus Nr. 19-21 gemietet hat. Mit ihr hat er einen Untermietvertrag ausgehandelt, „der uns erlaubt, über Jahrzehnte drin zu bleiben. Zwar müssen wir etwas mehr Mietzinsen erwirtschaften, aber davor haben wir keine Angst.“

Denn die Gäste kommen gerne. „Eine Flut von Post haben wir bekommen“, strahlt Steinfurt. Da war das 80jährige Ehepaar, das sich im Keese kennengelernt hat – sie forderte ihn auf, wie es sich beim Ball Paradox gehört –, und da waren die Frauen, „die schrieben: Ändert Euer Konzept bloß nicht“.

Die Betreibergesellschaft gehorchte. Die plüschige Einrichtung ist geblieben, die Musik auch; renoviert wird erst im nächsten Jahr. Nur einige BesucherInnen sollen sich ändern. Vor dem Eingang wird ein Videofilm laufen, „auf dem man sieht, wie es drinnen zugeht“, erläutert Steinfurt. Wer der Kleiderordnung nicht entspricht, „sagt sich dann vielleicht: Ich gehe nach nebenan und trinke ein Bier“.

Wer sein Pils im Keese bestellt, zahlt ab heute rund 30 Prozent weniger. Dafür nehmen die BetreiberInnen Eintritt, rund 15 Mark pro Person. Wenn das Konzept aufgeht, sollen in anderen Städten ähnliche Cafés folgen – möglichst mit finanzieller Beteiligung der Gäste. Der älteren Gäste, wohlgemerkt: Jugendliche House-Partys werden im Keese nicht mehr stattfinden, stellt Steinfurt klar: „Wir haben hier einen kultivierten Standard, und wir wollen nicht erleben, daß er am Montag morgen nicht mehr vorhanden ist.“