■ Nachschlag
: Krista Beinstein mit ihrem „Kabinett Vagina Dentata“ im SO 36

Spät am Abend tritt die Zeremonienmeisterin höchstpersönlich auf. In einen langen schwarzen Umhang gehüllt, den Kragen, der sich neben den Wangen zu Hörnern spitzt, hochgeschlagen, schreitet sie langsam, mit majestätischem Gestus und strafendem Blick, über die Bühne. Drum'n'Bass-Klänge füllen den Raum, blau ausgeleuchtete Nebelschwaden sorgen für Gruseleffekte. Vor den Brüsten und dem Geschlecht der Meisterin baumeln Fleischstücke; die Gespielin, die hinzukommt, trägt ein Filetstück im Dekolleté. Blut fließt durch einen Transfusionsschlauch, bald spuckt die Meisterin, zur Vampirin mutiert, die rote Flüssigkeit, besudelt sich und die Gespielin.

Was einem Schauerroman entsprungen scheint, beschloß am Samstag abend die Präsentation von Krista Beinsteins neuestem Fotoband, dem gerade im Konkursbuchverlag erschienenen „Kabinett Vagina Dentata“. Das Kreuzberger SO 36 hatte zu Performance, Videoprojektion und Erotikparty mit der 1955 geborenen Künstlerin geladen. Beinsteins Fotoarbeiten – Schwarzweißaufnahmen von Lesben beim Sex, von S/M-Szenerien, von Dildos, von Fetischen und Fleisch – sind strenge Kompositionen, die nicht von ungefähr an die Tradition der Porträtfotografie erinnern. Leiber, mal nackt, mal verschnürt, mal in Leder oder Latex gekleidet, bieten sich dem Blick des Betrachters an und starren zugleich zurück. Frauen tragen Schwänze, Brüste und Vaginas aus Silikon; beides, Männlichkeit und Weiblichkeit, entpuppt sich als künstlich. „Lange habe ich nach Bildern für mich gesucht und sie nirgendwo gefunden“, sagte Krista Beinstein vor einigen Jahren in einem Interview. „Dann habe ich begonnen, mir meine Bilder selbst zu machen.“ Von der Kraft der Fotoarbeiten blieb jedoch bei den Live-Darbietungen im SO 36 wenig übrig. Zu leichtherzig wurde unter großen, hohlen Schlagworten subsumiert, was auf der Buchseite von verstörender Schönheit ist.

Auch das 40minütige Video „Boundless“, angekündigt unter dem nichtssagenden Motto, daß die Folge der Grenzüberschreitung die Grenzlosigkeit sei, vermochte mit der Darstellung eines S/M-Aktes wenig vom Faszinosum der unbewegten Bilder wiederzugeben. Eine Ausstellung ohne den Budenzauber der Bühnenshow wäre Beinsteins Arbeit gerechter geworden. Cristina Nord