Kommentar
: Präzendenzfall

■ Bomben auf Serbien werden den Konflikt um den Kosovo nicht lösen

In dieser Woche fällt die Entscheidung, ob die Nato zum ersten Mal einen Militäreinsatz gegen einen souveränen Staat wegen dessen inneren Menschenrechtsverstößen startet. Es wäre ein Präzedenzfall und weder mit der Intervention gegen den Irak noch mit dem Fall Bosnien vergleichbar. Irak hat einen anderen Staat überfallen, und Bosnien war als souveräner Staat anerkannt. Kosovo dagegen gilt nach wie vor als Bestandteil Serbiens.

Regimenahe Medien behaupten, Serbien habe alle Forderungen des Westens erfüllt, sprich: die Sondereinheiten aus dem Kosovo zurückgezogen, unabhängige Experten eingeladen, um die angeblichen Massenmorde zu untersuchen und die Rückkehr der Flüchtlinge durch eine Amnestie gefördert. Darüber hinaus sei Belgrad zu bedingungslosen Verhandlungen mit den Kosovo-Albanern bereit. Unabhängige Medien verbreiten Meldungen über bevorstehende Luftangriffe, was vom Regime als Panikmache bezeichnet wird.

Was geschieht, wenn tatsächlich bis zu 600 Ziele in Serbien und Montenegro mit Marschflugkörpern und Kampfflugzeugen angegriffen werden? Die humanitäre Situation der Flüchtlinge wird sich dramatisch verschlechtern, wenn sich die internationalen Hilfsorganisationen zurückziehen müssen. Viele Serben werden sich noch treuer als bisher um Milošević scharen. Das Regime kann dann die unabhängigen Medien im Lande verbieten, die Generalmobilmachung ausrufen, ausländische Journalisten verjagen und seine Gegner verfolgen. Die Isolation des Landes wäre perfekt. Das bliebe nicht ohne Auswirkungen auf Bosnien. Der Konflikt zwischen dem Postulat, Kosovo bleibe ein Bestandteil Serbiens und Jugoslawiens, und den Forderungen der Albaner, die die Selbständigkeit des Kosovo und die Gründung eines großen Albaniens wollen, wird jedoch nicht gelöst.

Gefährdet würde auch die Shuttle-Diplomatie des amerikanischen Botschafters Christopher Hill, der in Belgrad und Prishtina erwartet wird, mit einem neuen, von der Kontaktgruppe abgesegneten Plan für eine Übergangslösung, der Aussicht hat, von beiden Seiten akzeptiert zu werden. Die Regierungen einiger Länder könnten sich mit einem Angriff auf Serbien als energisch und entscheidungsfreudig in Szene setzen, einen Beitrag zur Lösung der Krise würden sie mit Raketen und Bomben nicht leisten. Ivan Ivanji

Der Autor lebt als Schriftsteller in Wien und Belgrad