Der Möwe soll der Flügel gestutzt werden

■ Sachsen-Anhalt will den ehemaligen Sitz des Künstlerclubs Möwe in der Luisenstraße zur Landesvertretung umbauen. Dabei sollen Teile des denkmalgeschützten Gebäudes abgerissen werden. Ende Oktober s

Verwirrung um das denkmalgeschützte Ensemble der „Möwe“ in Mitte: Während der Eigentümer, das Land Sachsen-Anhalt, davon ausgeht, Ende Oktober mit Abbrucharbeiten an den Seitenflügeln des Gebäudes und den Vorbereitungen für einen neuen Querflügel beginnen zu können, herrscht in den Denkmalschutzbehörden offenbar Uneinigkeit über Kompetenzen und bereits getroffene Zusagen für den Abbruch. Bei dem Gebäude handelt es sich um das 1828 erbaute Bülowsche Palais in der Luisenstraße, dessen klassizistische Ausstattung mit seinen gediegenen Salons aus dem Jahr 1848 stammt. Geradezu legendär war der Künstlerclub „Die Möwe“, der sich zu DDR-Zeiten in dem Gebäude befand und ihm schließlich auch den Namen gab. Der Gebäudekomplex steht unter Einzeldenkmal- und Ensembelschutz. Seit Mai 1995 steht das alte Bürgerhaus leer. 1994 war es an ein Tochterunternehmen der Hamburgischen Landesbank veräußert worden. Die verkaufte es an das Land Sachsen-Anhalt, das hier seine Landesvertretung unterbringen will. Noch während es in Hamburger Hand war, wurde auf Grundlage eines Architekturwettbewerbs durch das Land Berlin die Genehmigung für den Neubau des Quergebäudes erteilt – nicht jedoch für die zusätzliche Glasüberdachung, die Sachsen- Anhalt mit dem Architekturbüro Gerkan, Marg & Partner (GMP) dort realisieren möchte.

Der eigentliche Streit aber dreht sich um die Seitenflügel: Das Staatshochbauamt Magdeburg bestätigt, daß für diese Gebäudeteile Entkernung und teilweiser Abriß geplant sind, die Bauarbeiten sollen Ende Oktober beginnen. Dafür gebe es zwar noch keine förmliche Genehmigung, aber die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks Mitte habe auf eine denkmalschutzrechtliche Voranfrage hin in einem Schreiben vom 16. April positiv geantwortet: Unter „gewissen Auflagen“ wie dem Erhalt eines Treppenhauses im rechten Seitenflügel wäre eine Zustimmung möglich. Bei dem Treppenhaus wiederum, so hieß es in Magdeburg, habe die Obere Denkmalschutzbehörde des Landes Berlin Entgegenkommen signalisiert. Das Architekturbüro GMP verweist darauf, daß es sich hier nicht um einen Bauantrag, sondern um ein „Zustimmungsverfahren“ handele – und dem Teilabriß habe die Senatsverwaltung kürzlich zugestimmt.

Am Freitag sowie am Montag liefen deshalb die Telefone heiß. Der Vertreter des vom Land Sachsen-Anhalt mit einem bauhistorischen Gutachten beauftragten „Bureaus für Architektur und Baugeschichte“ war nicht zu erreichen, weil er in Gesprächen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde steckte.

Mittes Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) sprach von Kompetenzunklarheiten – das Landesdenkmalamt habe am Bezirk vorbei gearbeitet. In der Oberen Denkmalschutzbehörde zeigte man sich völlig überrascht – weder sei man durch die Untere Denkmalschutzbehörde noch durch das Landesdenkmalamt über Abbruchpläne informiert. Norbert Heule, Mitarbeiter für Denkmalschutz bei der Senatsverwaltung, wollte sich nicht äußern. Und auch die Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde in Mitte, die die positive Antwort an Sachsen- Anhalt unterschrieben hatte, war nicht zu erreichen. Ulrike Steglich